Was dein Herz nicht weiß
Soo-Ja zuvor entgangen war. »Und ich bin einfach nicht dafür gemacht, als Parfumverkäuferin oder Sekretärin zu arbeiten. Frauen, die außer Haus arbeiten, sind doch eigentlich wahrhaft traurige Gestalten.« Schnell fügte sie noch hinzu: »Ich meinte das nicht böse.«
»Schon gut«, erwiderte Soo-Ja.
»Die Sache ist die, ich brauche Geld, und zwar dringend. Ich brauche das Geld mehr als du oder sonst jemand hier.« Eun-Mee starrte wie hypnotisiert geradeaus.
»Warum denn das?«
»Ich habe Schulden. Ziemlich viele«, erklärte Eun-Mee. Sie klang plötzlich gar nicht mehr wie sie selbst, und Soo-Ja spürte einen Anflug von Mitleid. »In Pusan bin ich einem Sparverein für Frauen beigetreten. Und du weißt ja, wie gerne ich das Kommando übernehme. Sie haben mich sofort zur Vorsitzenden ernannt – das heißt, ich habe einen kleinen Staatsstreich angezettelt. Was Präsident Park macht, kann ich schließlich auch, oder? Jedenfalls habe ich als erste Amtshandlung in importierte Kosmetik aus Frankreich investiert. Leider hat sich das Geschäft als faul erwiesen, und das Geld aller Mitglieder war verloren. Aber das Schlimmste ist, dass viele der Investorinnen und ihre Ehemänner Yuls Patienten waren. Das war nicht einfach für ihn, und mir war alles so unglaublich peinlich!« Eun-Mee blickte Soo-Ja an, als wären sie alte Freundinnen. Sie griff noch einmal nach ihrer Hand, und dieses Mal ließ Soo-Ja sie gewähren. »Darum habe ich auch arrangiert, dass wir nach Seoul ziehen, obwohl wir unsere Freunde und unser altes Leben in Pusan zurücklassen mussten. Ich war ein bisschen überrascht, dass Yul so einfach zugestimmt hat, denn seine Patienten in Pusan lagen ihm so am Herzen!«
Soo-Ja biss sich auf die Unterlippe und dachte an den Zettel mit ihrem Namen und ihrer Telefonnummer auf Yuls Schreibtisch. Sie drängte Eun-Mee weiterzuerzählen, merkte aber bald, dass diese von sich aus ein großes Mitteilungsbedürfnis hatte.
»Wenn ich heute also das Geld bekäme, könnte ich meinen Vereinsmitgliedern den Schaden ersetzen und mich wieder nach Pusan trauen.« Eun-Mee lächelte freundlich, und Soo-Ja begriff, warum Yul sich in sie verliebt hatte. Sie besaß die Fröhlichkeit und auch die Gabe eines Kindes, auf sie gerichteten Ärger im Bruchteil einer Sekunde in Mitleid oder gar Zuneigung zu verwandeln. Soo-Ja versuchte, sie zu hassen, aber sie konnte es einfach nicht, denn Eun-Mee löste in ihren Mitmenschen stets den Wunsch aus, sie zu beschützen, und zwar vor sich selbst.
»Eun-Mee, ich glaube, dein Mann hätte das Geld, das du brauchst, schnell verdient«, meinte Soo-Ja aufmunternd. »Und selbst wenn nicht – eine Spekulation ist nun mal riskant. Diese Frauen haben kein Recht, wütend auf dich zu sein. Es ist ja nicht deine Schuld, denn du konntest nicht wissen, dass du Betrügern aufsitzen würdest.«
Eun-Mee lachte noch einmal. »Mutter von Hana, wir werden sicher gute Freundinnen, denn du bist so naiv, und ich finde dich amüsant. Natürlich wusste ich, dass ich es mit Betrügern zu tun hatte. Wie hätte ich den Investorinnen denn sonst einhundert Prozent Rendite versprechen können? Ich konnte nur nicht ahnen, dass der Kerl mit dem ganzen Geld über alle Berge verschwindet. Wir leben in einer neuen Gesellschaft. Jeder schaut nur auf sich, mauschelt hier ein wenig und da ein wenig … «
»Das glaube ich einfach nicht«, stammelte Soo-Ja und ließ Eun-Mees Hand los. Ihre neue Freundschaft löste sich so schnell wieder auf, wie sie entstanden war.
»Ich mache dir einen Vorschlag. Wenn ich heute den Geldtopf bekomme, gebe ich dir etwas davon ab … «
»Eun-Mee! Das ist ja wie ein Zwang bei dir! Du musst ständig neue Geschäfte machen, oder?«
Doch es war zu spät. Soo-Ja wusste, dass sie Eun-Mee nicht auffliegen lassen würde. Es tat ihr zwar leid für Frau Kang und Frau Bae, aber sie durfte nicht zu viel Aufmerksamkeit auf Eun-Mee lenken, die schließlich als ihr Gast gekommen war. Inzwischen wussten alle, dass sie zusammengehörten. Und wer gegen Eun-Mee stimmte, würde auf keinen Fall für Soo-Ja stimmen. Zudem würde alles auf Yul zurückfallen, der sich hier eine neue Praxis aufbauen musste. Wenn die Leute von den Umtrieben seiner Frau hörten, bekäme auch er Probleme. So groß Seoul auch war, manchmal erinnerte es eher an eine Kleinstadt. Soo-Ja konnte nicht riskieren, seinen Ruf zu ruinieren.
Trotz allem war auch sie keine Heilige. Sie wollte allen von Eun-Mees krummen Geschäften erzählen,
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