Was dein Herz verspricht
hübschen Jilly Payne empfing. »Das ist er allerdings«, stimmte sie zu und achtete nicht weiter auf die seltsame, unbehagliche Enge, die sich in ihrer Brust ausbreitete, als sie sich auf den Weg zurück zum Haus machte.
3
Nicks Gäste lagen noch im Bett. Sie standen selten vor der Mittagszeit auf, und nach der Aufregung des Kutschenrennens war es abends dann besonders hoch hergegangen.
Nick schlief morgens nie lange. Seine innere Uhr ließ es einfach nicht zu. Er hatte zu viele Jahre hinter sich, in denen er vor dem Morgengrauen geweckt worden war, um wieder einen Tag Knochenarbeit hinter sich zu bringen. Der erste Schimmer der Morgenröte weckte ihn nach wie vor.
An diesem Morgen hatte sich zwar ein dichter Nebel über die Hügel der Umgebung gelegt, und sein Kopf brummte grausig nach dem Gin, den er getrunken hatte. Aber er hatte schon gefrühstückt und war hinausgeritten, um nach einer seiner Bauernfamilien zu sehen, in der die Frau in den nächsten Tagen ein Kind erwartete.
Er kehrte gerade von seinem Ritt zurück und trat aus dem Schatten der Scheune in die ersten Sonnenstrahlen, die den Nebel zu durchbrechen begannen, da sah er Elizabeth Woolcot in der Tür der Schmiede stehen. Neugierig ging er hinüber zu dem niedrigen Steingebäude und sah Silas McCann, den Schmied, der ihr mit einem Nicken seines großen, zerzausten Kopfes zuhörte.
Nick kam näher und blieb neben der schweren Eichentür stehen. Sie hatte ihn noch nicht bemerkt.
»Vielen Dank, Mr. McCann. Gestern habe ich ein winziges Weißkehlchen auf der Gartenmauer sitzen sehen. Vielleicht kann ich es mit Eurer Hilfe überreden, wiederzukommen.«
Die rauhen Wangen des Iren erröteten leicht. »Ein Weißkehlchen, soso.« Er grinste. »Und ein Mädel wie Ihr kennt sich damit aus. Es ist mir ein Vergnügen, Euch ein Futterhaus zu bauen, Miss Woolcot.«
In diesem Augenblick drehte sie sich um und sah Nick lässig an der Wand lehnen. Ihre Wangen röteten sich sacht. »Ich hoffe, es macht Euch nichts aus, Mylord. Ich habe Mr. McCann gebeten, ob er mir nicht ein Futterhäuschen bauen kann, um es außen an mein Fenster zu hängen. Ich muß mir natürlich überlegen, wie ich das am besten bewerkstellige, aber ich sehe ihnen halt so gern zu.«
Er stieß sich von der Wand ab. »Und wenn ich richtig gehört habe, kennt Ihr Euch damit aus.«
»Ich kenne eine ganze Menge, ja. Vögel haben mich immer sehr interessiert.«
Er lächelte und bemerkte, daß sie ihn schon wieder überraschte. Das gefiel ihm an ihr, was solche Überraschungen betraf. Er fragte sich, wie lange er wohl dazu brauchen würde, sie richtig kennenzulernen.
Er wandte sich Silas McCann zu, den er in Jamaica als Sträfling kennengelernt hatte, ebenso wie Theophilus Swann und mehrere andere seiner Bediensteten. »Bau besser drei oder vier. Sie kann sie in den Garten hängen.«
Sie lächelte erfreut, so daß ein Grübchen in ihrer linken Wange erschien. »Vielen Dank, Mylord.«
»Ich war gerade auf dem Weg ins Haus«, sagte er, ohne es recht überlegt zu haben, »aber eine Unterrichtsstunde über Vögel würde mir jetzt Spaß machen, wenn Ihr Lust zu einem Spaziergang im Garten habt.«
Einen Moment lang dachte er, sie würde ablehnen, hoffte fast, daß sie es tun würde. Doch sie lächelte und nahm den Arm, den er ihr bot. Mehrere unterschiedliche Vögel flatterten vorüber, während sie über die Kieswege wanderten, und sie erstaunte ihn, indem sie von jedem den Namen wußte.
»Seht Ihr den gefleckten braunen Vogel da drüben?« Sie deutete auf einen kleinen Vogel, der auf dem dünnen Zweig einer Buche saß.
Er lächelte. »Den kenne sogar ich, Miss Woolcot. Das ist ein ganz normaler Spatz.«
Elizabeth lachte und schüttelte den Kopf. »Das ist ein gefleckter Fliegenschnäpper, Mylord. Er sieht einem Spatzen nur ähnlich. Bei der Erkennung von Vögeln darf man nicht zu voreilig sein.«
Sein Blick wanderte über ihr schimmerndes, rotdunkles Haar, ihr fein geschnittenes Gesicht und die elegante, frauliche Figur. »Wie ich schon öfter erfahren habe, kann der erste Eindruck eben täuschen.«
»O ja, allerdings«, fuhr sie fröhlich fort. »Besonders bei Vögeln. Schaut die kleine Mönchsgrasmücke dort drüben. Die meisten Leute halten sie für eine Amsel.«
»Aber Ihr nicht, Miss Woolcot.«
Sie lächelte ein warmes, süßes Lächeln, und doch lag eine Stärke in Elizabeth Woolcot, die geradezu greifbar zu sein schien. »Mein Vater liebte die Vögel auch. Nach seinem Tod habe ich
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