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Was deine Blicke mir versprechen

Titel: Was deine Blicke mir versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynsay Sands
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das Leben zu nehmen, was er niemals getan hätte. Selbstmord war eine Sünde. Daher war er dazu verdammt, sein Leben weiterzuführen, bis Gott sein Ende bestimmte. Gott, meinte er bedrückt, ließ sich wirklich Zeit.
    Rosamunde war von dieser Geschichte sehr berührt. Lord Spencers Liebe für seine Frau und die Kinder war deutlich aus seiner Stimme herauszuhören. Nach so vielen Jahren schien es ihn immer noch zu schmerzen. Sie fragte sich kurz, wie es wohl sein mochte, derartig geliebt zu werden, mit einer solchen Leidenschaft und Zartheit, dass allein der Name seiner Frau noch nach zwei Jahrzehnten Tränen in die blinden Augen des alten Mannes trieb.
    Eine Frau, die so sehr geliebt wurde, war wirklich eine sehr begünstigte Person, ging es Rosamunde durch den Kopf, als sie aus der Tür schlich und die Stufen des Hauptturmes hinuntereilte. Sie würde nur schnell die Ställe überprüfen und nach Marigold sehen. Wahrscheinlich wäre es genauso, wie sie die Burg vorgefunden hatte: Von außen sah es vernachlässigt und heruntergekommen aus, aber innen war es makellos und gut gepflegt. Sicher verhielt es sich bei den Ställen ebenso, redete sie sich ein. Verwundert über die Kühle der Nacht, verschränkte Rosamunde die Arme. Es war der letzte Junitag, aber jetzt, nach Sonnen-
    Untergang, war die Luft richtig kalt. Der Wind schien Regen vor sich herzutreiben und leichter Nebel hatte sich über dem Außenhof ausgebreitet.
    Als sie die Stallungen erreichte, kündigte sich ein Gewitter an. Ein Blitz in der Ferne ließ sie innehalten, und sie blickte gen Norden, wo sie jedoch nichts entdecken konnte. Einen Augenblick später hörte sie entferntes Donnergrollen. Rosamunde spürte die ersten dicken Regentropfen und eilte in das Gebäude. Damit sich ihre Augen an die plötzliche Dunkelheit gewöhnen konnten, blieb sie gleich hinter der Tür stehen.
    Aber es war gar nicht dunkel. Durch die großen in der Wand klaffenden Löcher, die Rosamunde bei ihrer Ankunft bemerkt hatte, wurde das Innere vom Nachthimmel und den Blitzen so hell erleuchtet wie der Außenhof. Stirnrunzelnd stellte sie fest, dass es drinnen ebenso windig und feucht war wie draußen. Ihr Blick wanderte über die Reihen der Boxen, in denen die Pferde unruhig zu tänzeln begannen. Durch das Gewitter verängstigt und unglücklich, den Elementen ausgeliefert zu sein, verkündeten sie mit lautem Wiehern ihren Unmut.
    »Nu stellt euch nich so an und haltet die Klappe. Ihr habt ’n Dach überm Kopp, oder nich? Bäuche sind voll und Füße stehen im Trocknen!«
    Rosamunde erstarrte bei dieser unwirschen Stimme. Ihr Kopf wandte sich zum hinteren Teil des Stalles, aus dem sie gekommen war. Erst als sich die Wolken verzogen hatten und den Mond wieder freigaben, erkannte sie einen Mann, der an der hinteren Wand auf einem Heuhaufen lag. Er schien angetrunken und starrte benebelt auf einen Bierkrug, den er in der Hand hielt.
    Der Stallmeister?, fragte sich Rosamunde und verzog das Gesicht. Wer sollte es sonst sein? Ungehalten machte sie sich auf den Weg und blieb dann vor dem Mann stehen.
    Er war betrunken. Rosamunde konnte den Alkohol deutlich riechen, was bei dem überwältigenden Gestank von tierischem Unrat, der in der Luft hing, verwunderlich war. Man konnte sich leicht vorstellen, woher er kam. Sie konnte ihn unter ihren Füßen spüren, denn sie war hindurchgegangen und stand jetzt mitten in der Schweinerei. Wie Rosamunde schon bei ihrer Ankunft im Außenhof bemerkt hatte, lagen die Stallungen dummerweise in einer leichten Mulde. Entweder waren sie falsch errichtet worden oder der Boden hatte sich im Laufe der Jahre gesenkt und das Gebäude mit sich gezogen. Durch die Mitte der Ställe zog sich eine Rinne, die als Ablaufkanal dienen sollte. Der wässrige Inhalt stank wirklich abstoßend, aber soweit Rosamunde es erkennen konnte, war das die einzige Vorrichtung, den Unrat zu entfernen. Es hatte nicht den Anschein, dass der Mann, der gerade ein zotiges Trinklied sang und seinen Bierkrug fest in der Hand hielt, irgendeine sinnvolle Arbeit verrichten würde. Ganz sicher nicht den Stall ausmisten. Es war widerlich, ein richtiges Rattenloch. Und unhygienisch obendrein. Wenn es hier bislang noch keine Seuche gegeben hatte, würde das sicher nicht mehr lange auf sich warten lassen.
    Von Zorn überwältigt, öffnete Rosamunde den Mund und wollte ihn gerade zur Rede stellen, als sie aufgehalten wurde.
    »Was macht Ihr hier draußen?«
    Rosamunde zuckte bei diesen wütenden

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