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Was der Hund sah

Was der Hund sah

Titel: Was der Hund sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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zu erkennen, als die Maschine aufschlug. Manche Piloten unternehmen keinerlei Versuch, der Todesspirale zu entkommen.
4.
    Was Kennedy in dieser Nacht passierte, verdeutlicht den Unterschied zwischen Panik und einer Blockade. Panik ist eine konventionelle Form des Versagens, das wir noch entschuldigen können. Kennedy verfiel in Panik, weil er wenig Erfahrung im Instrumentenflug hatte. Mit etwas mehr Flugpraxis hätte er vielleicht die Nerven behalten. Genau so haben wir es gelernt: Dass sich die Leistung mit Erfahrung verbessert, und dass man Stress mit Fleiß überwindet. Blockaden sind zunächst weniger nachvollziehbar. Novotnas Problem war nicht der Mangel an Fleiß: Sie war genauso trainiert und geschult wie jeder andere Tennisprofi. Aber profitierte sie von der Erfahrung? In der dritten Runde der French Open des Jahres 1995 hatte sie eine weitere, noch spektakulärere Blockade, als sie nach einer 5:0-Führung im dritten Satz gegen Chanda Rubin verlor. Zweifelsohne war die Katastrophe im Spiel gegen Graf einer der Gründe, warum sie auch gegen Rubin scheiterte. Das zweite Versagen baute auf dem ersten auf, weshalb sie auch bei einer 5:0-Führung im letzten Satz denken konnte, »ich kann immer noch verlieren«. Wenn Panik eine konventionelle Form des Versagens ist, dann ist eine Blockade eine paradoxe Form des Versagens.
    Claude Steele, Psychologe an der Stanford University, hat in den letzten Jahren zusammen mit Kollegen einige Experimente durchgeführt, um zu sehen, wie bestimmte Gruppen unter Stress handeln, und seine Erkenntnisse geben Aufschluss über dieses paradoxe Phänomen der Blockade. Steele und Josua Aronson ließen Studenten der Stanford University verschiedene Standardtests durchführen. Wenn sie den Teilnehmern zu Beginn erklärten, dass es sich um einen Intelligenztest handelte, dann schnitten weiße Studenten deutlich besser ab als ihre schwarzen Kommilitonen. Wenn sie dieselbe Prüfung als einfachen Labortest präsentierten, der nichts über bestimmte Fähigkeiten aussagte, waren die Ergebnisse der schwarzen und weißen Teilnehmer dagegen nahezu identisch. Steele und Aronson sehen den Grund für diesen Unterschied in einem Phänomen, das sie »Vorurteilsdrohung« nennen: Wenn schwarze Studenten in eine Situation kommen, in der sie direkt mit einem Vorurteil über ihre Gruppe konfrontiert werden - in diesem Fall über ihre Intelligenz -, dann wird ihre Leistung durch den entstehenden Druck beeinträchtigt.
    Steele und andere haben nachgewiesen, dass dieses Phänomen in jeder Situation auftritt, in der eine Gruppe mit negativen Stereotypen dargestellt wird. Wenn man einer Gruppe von qualifizierten Frauen eine Mathematikprüfung vorlegt und ihnen mitteilt, der Test messe ihre mathematische Leistungsfähigkeit, dann schneiden sie deutlich schlechter ab als eine Gruppe gleich qualifizierter Männer; wenn sie denselben Test als bloßes Forschungsinstrument lösen, erzielen sie dieselben Ergebnisse wie Männer. Julio Garcia, früherer Student von Steele und heute Professor an der Tufts University, führte eine Reihe ähnlicher Experimente durch. Er stellte beispielsweise eine Gruppe von weißen Sportstudenten zusammen und ließ sie unter einem weißen Coach Leistungstests durchführen, darunter einen Hochsprung aus dem Stand und Liegestützen. Dann ließ er die Studenten den Test ein zweites Mal durchführen, und wie zu erwarten schnitten sie ein wenig besser ab. Bei einer zweiten Gruppe von Studenten, die dasselbe Experiment durchführten, wechselte er den Trainer nach dem ersten Test aus und ließ den zweiten Test von einem schwarzen Trainer durchführen. Beim Hochsprung zeigten die weißen Studenten nun keine Leistungssteigerung mehr. Bei einer dritten Gruppe tauschte er den Trainer erneut aus und ließ den zweiten Test von einem schwarzen Trainer durchführen, der erheblich größer und schwerer war als der erste schwarze Trainer. Diesmal sprangen die weißen Studenten beim zweiten Test sogar weniger hoch als beim ersten. Bei den Liegestützen ergab sich in keinem der Versuche eine Änderung. Es gibt schließlich kein Vorurteil, das besagt, dass Weiße weniger Liegestützen machen können als Schwarze. Die kritische Fähigkeit war der Hochsprung, denn in unserer Kultur gilt, dass weiße Männer nicht springen können.
    Es ist inzwischen hinlänglich bekannt, dass schwarze Studenten in Tests schlechter abschneiden als weiße, oder dass weiße Studenten nicht so hoch springen wie schwarze. Man ging

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