Was der Nachtwind verspricht
zusammen und gab auf. Seine letzte Hoffnung war jetzt, dass der Baron in Bezug auf die Verlobung gelogen hatte. Die Hoffnung war zwar nicht allzu groß, aber Wassili griff nach jedem Strohhalm.
»Mein Herr, ich würde gern den Verlobungsvertrag sehen. Offensichtlich ist das Exemplar meines Vaters verlegt worden oder verlorengegangen, wir haben es nämlich nie gefunden.«
» Gewiss .«
Wassili errötete leicht, als er sah, dass der Vertrag bereits die ganze Zeit auf dem Schreibtisch gelegen hatte. Konstantin, der mit diesem Anliegen offensichtlich gerechnet hatte, reichte ihm das Schriftstück. Wassili brauchte nicht lange, um das kurze Dokument zu überfliegen und die Unterschrift seines Vater darauf zu finden. Damit waren alle seine Hoffnungen dahin.
»Darf ich fragen, warum Ihr so lange mit Eurem Brief an uns gewartet habt?« fragte Wassili, als er den Vertrag zurückgab. »Eure Tochter ist schon weit über das Alter hinaus, in dem die meisten Mädchen heiraten.«
»Das war reiner Egoismus meinerseits. Ich wollte sie möglichst lange bei mir behalten«, sagte Konstantin. »Ihr Leben hier hat ihr gefallen.«
»Das bezweifle ich nicht. Seid Ihr Euch darüber im klaren, dass sie mich nicht heiraten will?«
»Das hat sie Euch gesagt?«
»In der Tat.«
Konstantin suchte verzweifelt nach einer Antwort. Dann winkte er abwehrend mit der Hand. »Nervosität, und der Gedanke an die kommenden Veränderungen. Das ist ganz normal für eine Braut - und einen Bräutigam.«
»In der Regel werden Ressentiments dieser Art nicht laut geäußert«, erwiderte Wassili beinahe schroff.
Konstantin schmunzelte. »Ah, Ihr habt bereits die offene Art meiner Tochter kennengelernt. Ich gebe zu, es ist manchmal etwas beunruhigend, aber zuweilen auch ganz erfrischend. Alexandra wird niemals Eure Zeit verschwenden, ehe sie auf den Punkt kommt, dessen könnt Ihr sicher sein. Aber Ihr braucht Euch ihre Worte nicht so zu Herzen nehmen. Es ist nicht so, dass sie Euch nicht heiraten will - sie will überhaupt niemanden heiraten. Aber sie wird Euch heiraten. Darauf hat sie mir ihr Wort gegeben.«
Das war nicht das, was Wassili zu hören gehofft hatte. »Bei allem Respekt, seid Ihr sicher, dass Ihr Eure Tochter zwingen wollt, einen Mann zu heiraten, den sie nicht haben will?«
»Aber wer sagt denn, dass sie Euch nicht haben will?« Konstantins Lächeln war so vielsagend, dass Wassili beinahe errötete. »Ich habe gesehen, was vorhin passiert ist, als sie Euch das erste Mal sah. Ich versichere Euch: Kein Mann hat es jemals fertiggebracht, sie sprachlos zu machen.« Nicht einmal dieser verdammte Engländer.
Jetzt stieg Wassili doch die Farbe in die Wangen, was er sich nicht erklären konnte, da er schließlich daran gewöhnt war, dass Frauen in seiner Gegenwart sprachlos waren. »Sie sagte, ich hätte sie überrascht.«
»Das habt Ihr zweifellos.«
»Auch ich war überrascht.«
»Zweifellos. Meine jüngste Tochter ist sehr ungewöhnlich«, sagte Konstantin mit einer gehörigen Portion väterlichen Stolzes. »Ich habe keinen Zweifel, dass ein Mann Eures Alters und mit Eurer Erfahrung mühelos ihre Zuneigung gewinnen und ihre Ängste zerstreuen kann.«
Genau das hatte Wassili nicht vor. Sein Gespräch mit dem Baron brachte ihn nicht weiter. Der Mann hatte ihn rückhaltlos akzeptiert und würde ihn auch künftig mit jeder erdenklichen Entschuldigung in Schutz nehmen. Wassili wusste jetzt, dass er seine Bemühungen auf Alexandra konzentrieren muss te. Er durfte keine Zeit verlieren.
Dem Baron versicherte er: »Ich werde alles nur Erdenkliche für Eure Tochter tun.« Genaugenommen war das keine Lüge, sondern nur eine Behauptung, die verschieden interpretiert werden konnte. Er stand auf, um ihr Gespräch zu beenden. »Ich fürchte, wir müssen wegen meiner verspäteten Ankunft sehr bald wieder abreisen. Am besten wäre morgen, bevor die Reise wegen des Wetters zu gefährlich wird.«
Nun war es ihm gelungen, den Baron zu überraschen.
»Aber die Vorbereitungen für die Hochzeit sind doch noch gar nicht abgeschlossen.«
Wassili bemühte sich um einen reumütigen Blick. »Es tut mir leid, aber habe ich denn nicht erwähnt, dass mein Cousin auf einer Heirat in Kardinien besteht? Die Hochzeit soll im Palast stattfinden. Die Königin hat diesen Vorschlag gemacht, und Stefan erfüllt alle ihre Wünsche.«
Darauf konnte Konstantin nichts erwidern. Er stellte sich mit Schrecken vor, welche Auswirkungen diese unerwartete Entwicklung der Dinge
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