Was der Nachtwind verspricht
letzte Nacht weggenommen«, entgegnete Wassili.
Misstrauisch blickte Pawel ihn an. »Habt Ihr dem Mädchen etwa beigebracht, wie man sie benutzt, Aristo?«
Nun konnte er lügen, um sich damit einen kleinen Vorteil für den Kampf zu verschaffen oder um seine eigenen Pläne ein Stück voranzubringen. Wassili fiel die Wahl nicht schwer.
»Ihr habt Glück«, sagte er zu dem Räuber, »ich kenne das Mädchen erst seit kurzem und hatte noch keine Zeit, ihr etwas Wichtiges beizubringen.«
Dieser Seitenhieb war nur für Alexandra bestimmt. Wassili konnte von Glück sagen, dass er sie dabei nicht ansah, um die Wirkung seiner Worte zu überprüfen, denn sonst hätte er sich vielleicht lächerlich gemacht und sich entschuldigt.
Dass er das, was zwischen ihnen vorgefallen war, in den Schmutz zog, hätte ihr eigentlich nichts ausmachen dürfen, denn Alexandra hatte es selbst ja auch getan. Und doch trafen sie seine Worte so sehr, dass in ihrem Gesicht einen Augenblick lang die Gefühle zu lesen waren, die sie zuvor unter einer Maske der Gleichgültigkeit verborgen hatte.
Zum Glück verstand keiner der anderen Wassilis Bemerkung, und als er hinzufügte: »Wollen wir es jetzt endlich hinter uns bringen?«, stimmte ihm Pawel sofort zu.
Mit der Peitsche in der Hand umkreisten sie einander lauernd. Wassili wartete auf den ersten Angriff, um seinem Gegenüber wenigstens ein paar der Grundlagen abschauen zu können, und Pawel wartete auf eine günstige Gelegenheit, um gleich mit dem ersten Hieb den Kampf entscheidend zu beeinflussen.
Keiner bekam, was er wollte.
Als Pawel schließlich das erste Mal zuschlug, war Wassili so sehr damit beschäftigt, dem Hieb auszuweichen, dass er nicht sehen konnte, was genau sein Kontrahent gemacht hatte. Der laute Peitschenknall klang jedoch nicht sehr ermutigend, obwohl Pawel sein Ziel nicht getroffen hatte. Wassilis erster Hieb war geradezu lächerlich. Das Ende seiner Peitsche fiel zu Boden, bevor er damit überhaupt in Pawels Nähe gekommen war.
Wassili war sich dessen nicht bewusst , aber er hielt seine Peitsche wie ein Schwert. Er holte auch genauso aus wie mit einem Schwert. Das hätte vielleicht funktioniert, wenn sein Ziel stehengeblieben wäre, doch Pawel befand sich ständig in Bewegung. Offensichtlich bestand die beste Taktik darin, den Gegner zu treffen, es aber andererseits zu vermeiden, selbst getroffen zu werden. Bis jetzt war es ihm nur gelungen, Pawels Hieben auszuweichen.
Alexandra war entsetzt, als sie sah, wie die beiden miteinander kämpften. Pawel hatte nicht sehr viel Erfahrung mit der Peitsche, aber er konnte auf jeden Fall besser damit umgehen als Wassili. Nur durch reines Glück und dank seinem guten Reaktionsvermögen war Wassili bis jetzt noch nicht getroffen worden.
Und dann wurde er doch getroffen. Es war kein sehr heftiger Schlag, aber Pawels Peitsche glitt über Wassilis Rücken, an der Seite entlang bis zu seiner Brust, wo es am meisten weh tat. Auf seiner goldenen Haut erschien ein schmaler roter Streifen. Wassili zuckte nicht einmal zusammen, aber Alexandra war nicht darauf gefasst gewesen, was der Anblick seiner Wunde in ihr auslösen würde.
Sie spürte den heftigen Impuls, Wassili ihre Peitsche aus der Hand zu reißen und Hackfleisch aus dem Räuber zu machen. Dazu würde sie nur eine oder zwei Minuten brauchen. Sie kannte die Stellen des Körpers, an denen es am meisten wehtat , und sie verfehlte nie ihr Ziel. Innerhalb von Sekunden würde sich Pawel vor Schmerzen am Boden winden ...
Alexandra vergrub die Hände in den Taschen und zwang sich, sie dort zu behalten. Es kostete sie ungeheure Anstrengung zu bleiben, wo sie war. Aber sie war viel zu wütend, um ruhig zu bleiben.
»Du muss t die Peitsche aus dem Handgelenk heraus schwingen!« rief sie Wassili zu. »Sie muss knallen!«
Wassili hörte sie. Sie war nicht zu überhören. Verärgert wurde er sich bewusst , dass der Kampf wahrscheinlich schon längst vorbei wäre, wenn sie an seiner Stelle kämpfen würde. Warum hatte Pawel ausgerechnet die Waffe auswählen müssen, mit der sie am besten umgehen konnte?
Wassili hatte keine Ahnung, wovon sie sprach.
Der zweite Treffer verletzte ihn am Bauch. Er fühlte sich, als hätte ihm jemand den Bauch aufgeschlitzt, aber als er an sich heruntersah, konnte er kaum mehr als einen roten Striemen auf seiner Haut erkennen. Es war an der Zeit, dem hier ein Ende zu machen.
Er wollte es Pawel gerade sagen, als ihm Alexandra wieder etwas zurief. »Verdammt noch
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