Was Die Liebe Naehrt
jeden Abend gemeinsam ein Vaterunser. Die laut ausgesprochene und vom anderen gehörte Bitte: »Vergib
uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unserenSchuldigern« kann eine durch Streit gefährdete Atmosphäre wieder reinigen. Da muss ich
nicht alle Konflikte des vergangenen Tages nochmals ausdrücklich durchsprechen und klären. Der Anspruch, alles Unklare klären zu müssen, kann ein Ehepaar
auch überfordern. Das führt nicht selten dazu, dass man den Anspruch ganz fallen lässt. Ein gemeinsames Ritual wie das laut gesprochene Vaterunser öffnet
für die Vergebung. Auch wenn sie vielleicht nicht in der Lage sind, dem anderen zu sagen , dass sie ihm vergeben: in der gemeinsamen Bitte
geschieht Vergebung.
Ein Ehepaar kann auf Dauer nur zusammenleben, wenn die Partner bereit sind, einander zu vergeben. Ständig Vorwürfe und gegenseitige Aufrechnungen
führen nicht weiter. Doch die Vergebung muss angemessen ausgedrückt werden. Ein Ehepaar erzählte mir, dass sie sich oft streiten. Mitten im Streit sagt
dann die Frau zu ihrem Mann: »Aber du musst mir im Namen Jesu vergeben.« Das macht den Mann noch wütender. Da er gerade in Rage ist, hat er
keine Lust zu vergeben. Ein anderes Ehepaar hat da ein klügeres Ritual entwickelt. Wenn ein Gespräch misslungen oder ein Missverständnis aufgetaucht ist,
das die Stimmung im Haus trübt, dann wissen sie beide: Es hat wenig Sinn, die Probleme sofort zu besprechen. Wenn die Wunde gerade offen liegt, würde ein
Gespräch nur dazu führen, noch mehr im Schmerz zu wühlen. Sie haben daher etwas vereinbart: Einer, der diese Situation gerne verändern möchte, zündet die
Hochzeitskerze an. Das ist für den anderen ein Zeichen: die Bereitschaft zur Versöhnung und Verständigung ist da. Da wird der Partner nicht zu etwas
gezwungen. Wenn das Licht der Hochzeitskerze auchseinen Groll vertrieben hat, ist er fähig, wieder mit dem Partner oder der Partnerin zu
sprechen. Sie wollen dann auch nicht noch einmal alles von vorne erklären, was abgelaufen ist. Vielmehr können sie das Vorgefallene relativieren. Die
Bereitschaft, gemeinsam um die Hochzeitskerze zu sitzen und sich auf das zu besinnen, was ihre Verbindung trägt, relativiert den Konflikt. Und sie können
wieder vernünftig miteinander reden.
Paartherapeuten haben Versöhnungsrituale für Streitpaare entwickelt. Ein solches Ritual ist ein guter Weg, um Konflikte zu begraben. Beide verzichten,
die früheren Verletzungen als Vorwurf gegen den anderen oder als Vorwand zu benutzen, nicht selber auf den anderen zugehen zu müssen. Aber auch die
einfachen alltäglichen Rituale können Paaren helfen, ihre Beziehung zu vertiefen. Der gemeinsame Kirchgang am Sonntag, bei dem man gemeinsam sein Leben
Gott hinhält, kann diese Wirkung ebenso haben wie die täglichen Rituale am Morgen und am Abend. Am Morgen ist es ein schönes Ritual, in der Segensgebärde
den Ehepartner und die Familie zu segnen und den Segen in die Räume der Wohnung strömen zu lassen. Wenn ich so handle, werde ich dem Partner anders
begegnen. Er ist nicht mehr der, der mich verletzt hat, sondern der, der unter dem Segen Gottes steht. Und wenn ich morgens in das Wohnzimmer gehe, dann
hängt nicht mehr die negative Stimmung von gestern Abend im Raum, als das Gespräch keinen guten Verlauf nahm. Ich betrete vielmehr einen gesegneten
Raum. Dann erlebe ich die Wohnung, in der wir gemeinsam leben, anders. Wir sind nicht allein mit unseren Stimmungen, mit unserem Auf und Ab.Unsere Wohnung ist erfüllt vom Segen Gottes. Das ermöglicht uns ein anderes Miteinander. Wir müssen nicht alles selbst tun, damit das
Miteinander gelingt. Unser gemeinsamer Weg steht unter dem Segen Gottes. Das gibt uns Vertrauen, dass unser Weg gut wird.
Das gemeinsame Vaterunser, das unsere Seele von den vergangenen Konflikten und Wortwechseln reinigt, ist auch ein gutes Abendritual.
Ein anderes Ritual, mit dem wir den Tag abschließen können: Wir halten mit offenen Händen unseren Tag Gott hin. Wir überlassen ihm das Urteil. Wir
rechtfertigen uns nicht und beschuldigen uns nicht. Wir halten den Tag einfach so, wie er war, Gott hin. Dann können wir ihn loslassen. Oder aber wir
überkreuzen die Arme über der Brust. Das ist ein Ritual, das jeder für sich allein macht. Aber dann spürt er, dass er nicht nur die Frau des Mannes oder
der Mann der Frau ist, sondern dass er bei sich selbst sein darf, dass da dieser innere Raum der Stille in ihm
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