Was Die Liebe Naehrt
Fromm schreibt in seinem viel gelesenen Buch über die»Kunst des Liebens«:
»Wäre die Liebe nur ein Gefühl, gäbe es keine Basis für das Versprechen, einander für immer zu lieben. Ein Gefühl kommt und verschwindet vielleicht
wieder. Wie kann ich beurteilen, ob es für immer bleiben wird, wenn mein Akt nicht zugleich Urteil und Entscheidung ist?« Verbindlichkeit und
Verantwortung gehören für Erich Fromm zusammen. Ich übernehme für den, dem ich Treue verspreche, mit dem ich verbindlich zusammenleben möchte,
Verantwortung. Saint-Exupérys Wort aus dem »Kleinen Prinzen« trifft es genau: »Wir sind zeitlebens für das verantwortlich, das wir uns vertraut gemacht
haben.« Der Theologe Joachim Gauck hat die Verantwortung einmal so gedeutet: Verantwortung sei Ausdruck der Gottesebenbildlichkeit des Menschen. Sie würde
ihn vor der übrigen Kreatur auszeichnen. Wenn wir also bewusst Verantwortung füreinander übernehmen, hat das eine besondere spirituelle Qualität. Die
Ehepaare übernehmen nicht nur füreinander Verantwortung. Sie sind auch verantwortlich für die Kinder, die sie gemeinsam erziehen. Die Frage angesichts
einer möglichen Trennung ist oft, ob das persönliche Glück über die Verantwortung für die Kinder geht. Sicher ist es nicht hilfreich, wenn die Eltern nur
wegen der Kinder zusammenbleiben und sich vor den Kindern bekämpfen. Das bringt die Kinder durcheinander. Sie leiden mit den Eltern und wissen nicht, an
wen sie sich wenden können. Manchmal werden Kinder von einem Partner benutzt, damit sie für ihn Partei ergreifen. Die Verantwortung für die Kinder
bedeutet, dass ich die persönlichen Reibereien vor den Kindern zurückhalte, dass ich den Kindern einen Raum der Geborgenheit und Sicherheitschaffe. Selbst wenn die Ehe auseinandergeht, muss dieser Raum der Geborgenheit weiter da sein. Sonst fühlen sich Kinder verlassen,
alleingelassen. Sie spüren, dass sie dem Vater oder der Mutter nicht wert genug sind, dass sie bei ihnen bleiben. Das ist eine tiefe Verletzung.
Eine große Herausforderung für die Treue in der Ehe stellen die Brüche dar, mit denen wir immer wieder konfrontiert werden. Da geht nicht alles so
glatt, wie wir das uns vorgestellt haben. Der Mann scheitert im Beruf. Die Familie kommt in finanzielle Schwierigkeiten. Ein Partner wird krank. Das
verändert die Beziehung. Oder ein Kind bereitet Probleme, weil es Drogen nimmt, weil es krank wird, weil es von seinem Freundeskreis negativ beeinflusst
wird. Solche Herausforderungen, die von außen auf uns zukommen, stellen unser Miteinander in Frage. Sie prüfen uns, auf welchem Fundament wir unser
gemeinsames Lebenshaus gebaut haben. Wenn wir unsere Familie nur auf das glatte Funktionieren oder auf eine äußere Harmonie gebaut haben, dann stürzt
durch solche Widerfahrnisse unser Lebenshaus zusammen. Letztlich verlangen solche Brüche eine spirituelle Antwort. Ich kann mich nicht mehr vom äußeren
Funktionieren her definieren, von der heilen Welt, die wir mit unserer Familie aufbauen wollten. Es braucht ein tieferes Fundament. Das kann letztlich nur
Gott sein. Gott trägt uns, auch wenn der Boden unserer Ehe oder Familie ins Wanken gerät.
Die Brüche in unserer persönlichen Lebensgeschichte und die Brüche in unserem Miteinander wollen uns immer mehr aufbrechen für unsere innere Wahrheit
und für die Wahrheit des anderen. Durch die Brüche können wir einandernäherkommen. Wir brechen uns füreinander auf. Wir lassen den
anderen hineinschauen in die Abgründe unserer Seele, die durch einen äußeren Bruch in uns aufgebrochen sind. Und dort fallen alle Masken ab, die wir
manchmal doch noch aufsetzen, um den anderen nicht so nah an uns heranzulassen. Die Brüche zerbrechen alle Hindernisse, die wir zwischen uns aufgebaut
haben. Sie sind die Chance, dass wir uns in unserer Wahrheit näherkommen und uns nun bedingungslos annehmen. Wir nehmen den anderen nicht mehr nur mit
seinem Erfolg, mit seinen Stärken, mit seiner Harmonie an, sondern auch in seiner Disharmonie, in seinem Misserfolg, in seinen Schwächen. Das befreit uns
selbst davon, dass wir dem anderen etwas beweisen müssen. Aber es tut auch weh. Wir müssen Abschied nehmen von den Illusionen, die wir uns von uns und vom
anderen gemacht haben.
Die spirituelle Herausforderung im Umgang mit Beziehungskrisen besteht darin, dass ich mich durch die Krise selbst in Frage stellen lasse. Ich frage
mich in einer Situation
Weitere Kostenlose Bücher