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Was Die Liebe Naehrt

Was Die Liebe Naehrt

Titel: Was Die Liebe Naehrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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der Krise zunächst einmal: Haben wir unsere Ehe zu sehr auf harmonische Gefühle gebaut und nicht auf die Liebe, die tiefer ist als
     das Gefühl? Habe ich die Beziehung vernachlässigt? Waren mir andere Dinge auf einmal wichtiger? Bin ich zu wenig achtsam gewesen im Umgang mit mir selbst
     und mit dem anderen? Die Krise ist zunächst eine Herausforderung, all das zu lernen, was ich vernachlässigt habe. Und sie lädt mich ein, alle voreiligen
     Urteile und Verurteilungen zu lassen und mich einfach zu fragen, was schiefgelaufen ist, was sich abgeschliffen hat, wo die Verletzungen sich gehäuft
     haben und zugleich verdrängt wurden.
    Der zweite Schritt wäre zu überlegen: Was können wir ändern? Das eine ist die Änderung im konkreten Verhalten. Wir können uns Zeit
     füreinander nehmen. Wir können bewusst auf den anderen mehr Rücksicht nehmen. Wir können – um nur ein Beispiel zu nennen – unsere Versprechen, im
     Haushalt mitzuhelfen, einlösen. Doch das sind äußere Schritte. Manchmal haben Paare den Eindruck, dass alles äußere Bemühen nicht weiterhilft, weil die
     Liebe abhandengekommen ist. Dann wäre es angebracht, sich zu fragen, ob wir die Liebe zu sehr mit Gefühl identifiziert haben. Ist die Liebe wirklich
     abhandengekommen? Was heißt es, den anderen zu lieben, auch wenn keine starken Liebesgefühle in mir sind? Wenn ich betrauere, dass wir momentan keine
     heiße Liebe erfahren, sondern eher eine nüchterne, dann kann ich vielleicht auch die Kraft dieser alltäglichen Liebe dankbar annehmen. Es ist eine Liebe,
     die sich in Solidarität äußert, in Fairness, in Zuverlässigkeit, in Hilfsbereitschaft, in der Achtung des anderen. Das ist nicht die Liebe, die eine Ehe
     ausmacht und im Innersten zusammenhält. Aber es ist doch auch Liebe. Und auch diese Liebe kann die Ehe eine Zeit lang retten. Wir sollten allerdings nie
     die Hoffnung aufgeben, dass diese nüchterne und alltägliche Liebe sich wieder in eine lebendige Liebe wandelt. Manche meinen, ihre Liebe sei nur
     freundschaftlicher Natur, aber sie reiche nicht für eine Ehe. Sie würden sich gut verstehen, aber es fehle die Leidenschaft, das Begehren des
     anderen. Wenn wir so reden, haben wir feste Vorstellungen, wie die Liebe sein müsse. Das, was unserer Liebe fehlt, sollen wir betrauern, um das Geschenk
     einer freundschaftlichen Liebe genießenzu können. Es ist schon viel, freundschaftlich miteinander zu leben, sich zu achten und zu
     ehren, sich gegenseitig zu ergänzen. Es muss nicht immer die große erotische Liebe sein.
Gemeinsames Wachsen
    Der Paartherapeut Jürg Willi hat den Begriff der Koevolution geprägt. Er kritisiert die Tendenz, die lange die Psychologie bestimmt
     hat: dass es nur um die eigene Selbstverwirklichung geht. Wenn in einer Ehe jeder nur das eigene Selbst schützt, dann geht es immer nur um die eigene
     Bedürfnisbefriedigung. Doch – so sagt Willi – »eine auf Bedürfnisbefriedigung gründende Partnerschaft endet in der Sackgasse gegenseitiger Ausbeutung.«
     Er folgert daraus, dass auf der Basis der Bedürfnisbefriedigung keine Lebensgemeinschaft und Liebesgemeinschaft geführt werden kann: »Zu mühselig wird das
     dauernde Abwägen, wer wann wem mehr Bedürfnisbefriedung gewährt, wer von wem mehr ausgebeutet und unterdrückt wird, wer sich für wen mehr aufgeben und
     anpassen muss.«
    Gegenüber dem Selbst, das nur um die eigene Selbstverwirklichung kreist, setzt Willi das sich transzendierende Selbst. Er bezieht sich dabei auf
     C. G. Jung, für den sich das Selbst immer schon transzendiert auf das Zentrum des Universums, letztlich auf Gott hin. Das Selbst schließt nach C. G. Jung
     immer auch die Mitmenschen und die ganze Welt ein. Niemand kann sein Selbst entfalten, ohne die Beziehung zu den Menschen und zur Welt zu
     berücksichtigen.Letzteren Aspekt nennt Jürg Willi die »ökologische Selbstverwirklichung«. Er versteht darunter, dass das Selbst sich
     nur in der Teilhabe an übergreifenden, mitmenschlichen Prozessen finden und verwirklichen kann. Hier beruft er sich vor allem auf Martin Buber, für den
     die Selbstwerdung in der konkreten menschlichen Begegnung geschieht und für den die eigentliche Wirklichkeit des Menschen zwischen mir und dir liegt. Ich
     benutze das Du nicht, um mich selbst zu finden. Die Selbstwerdung geschieht auch nicht in der völligen Aufgabe und Hingabe zugunsten des Du, vielmehr
     vollzieht sie sich »im Dazwischen, in dem Bereich, in dem Ich und Du sich ereignen

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