Was Die Liebe Naehrt
in diesem Klima von
Verbindlichkeit und Verantwortung sprechen, ohne den moralisierenden Zeigefinger zu erheben?
Ein evangelischer Pfarrer schlug bei einer Akademietagung über Ehe einmal vor, statt der alten Trauformel »bis der Tod euch scheidet«, zu sagen:
»solange es gut geht«. Dagegen gab es Protest von seinen Amtskollegen. Ihr Argument: Das nimmt der Ehe ihre Würde. Auch die Paare, die sich nach 25 Jahren
scheiden lassen, hatten einmal gehofft, dass sie ihr Eheversprechen halten können, in guten und schlechten Tagen miteinander zu leben. Wohl die meisten,
die heute eine Ehe schließen, hoffen auf die Verbindlichkeit des Versprechens, das der andere ihnen gibt. Und sie sind überzeugt, dass sie dem Partner
treu sein werden. Im Entschluss, einander zu heiraten, ist der Wille zur Verbindlichkeit ausgedrückt. Bei der kirchlichen Hochzeit versprechen die beiden
Partner sich gegenseitig die Treue »in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit.« Und sie fahren fort: »Ich will dich lieben, achten und ehren,
solange ich lebe.« Es ist ein großes Wort, das sich die Partner im Vermählungsspruch einander zusagen. Es kommt darauf an, dieses Wort danndurchzuhalten. Denn es kommen Tage, die nicht so gut sind. Tage, wo man sich auf die Nerven geht, wo die Ehe in eine Krise gerät, da man
das gemeinsame Fundament nicht mehr sieht. Den anderen auch dann lieben, wenn böse Tage kommen, das ist Ausdruck einer spirituellen Liebe, die mehr ist
als eine erotische Liebe. Dieses Versprechen gilt auch, wenn der Weg der Ehepartner auseinandergeht, aus welchen Gründen auch immer. Auch dann kommt es
darauf an, den Partner weiter zu lieben, zu achten und zu ehren. Wenn ich den Partner, der mich verlassen hat, nur schlechtmache, dann mache ich einen
Teil von mir schlecht. Denn immerhin habe ich mit diesem Mann, mit dieser Frau eine Zeit lang gelebt. »Ehren« im Gespräch heißt nicht, dass ich seine
Schuld verdränge oder dass ich den Schmerz unterdrücke, den er mir mit seiner Trennung bereitet hat. Aber ich ehre in ihm oder ihr immer noch den oder
die, den oder die ich einmal geliebt habe. Und ich ehre ihn als Vater, bzw. sie als Mutter meiner Kinder. Ich verliere die Achtung nicht, auch wenn er
oder sie vielleicht Wege geht, die ich nicht verstehe und die negative Seiten in ihm zeigen.
Die Ehepaare, die sich bei der Hochzeit die Treue in guten und bösen Tagen versprechen, meinen es ernst. In Gesprächen mit Geschiedenen erlebe ich
immer wieder, dass diese Worte wie ein Stachel im Gewissen waren, der das Paar zusammengehalten und die Entscheidung für die Scheidung lange verhindert
hat. Die Menschen haben also auch heute eine Ahnung von Verbindlichkeit und Treue. Die Treue entspricht der tiefsten Sehnsucht des Menschen. Treue kommt
von Festigkeit. Treue gibt den Ehepartnerneinen festen Grund, auf dem sie stehen können. Treue – so sagt der Philosoph Friedrich
Bollnow – ist immer Du-Treue. Ich verspreche nicht ein Verhalten, sondern ich verspreche mich dem anderen. Ich verspreche, dem anderen gegenüber treu zu
sein. Manche meinen, wir könnten keine Treue versprechen, wir müssten uns ja jeden Augenblick neu entscheiden. Doch Bollnow sagt zu Recht, dass die Treue
mich als Person in einer guten Weise festlegt. Sie zeigt mir, dass ich über den Augenblick hinausreiche. Treue spricht bei allen Wandlungen, die wir
durchmachen, das Gleichbleibende in uns an, das, was unsere Identität im tiefsten ausmacht. Dem anderen Treue zu versprechen, bedeutet, so der Psychologe
Reinhold Haskamp, »durch alle Wandlungen, die sich in mir und in anderen vollziehen werden, treu zu bleiben. Ich sage ja zu Menschen, die sich verändern
werden, sage ja zu etwas, das sich erst im Dunkel der Zukunft enthüllen wird.« Auch wenn die Treue manchmal nicht durchgehalten werden kann, ist in ihrem
Versprechen doch die Ewigkeit mitgemeint. Wir versprechen immer dauerhafte, also ewige Treue. Darin liegt die Bereitschaft, mit dem anderen durch alle
Schwierigkeiten des Lebens hindurchzugehen. Dieses Versprechen gibt vielen Menschen Kraft, Konflikte miteinander in guter Weise durchzustehen. Aber bei
allem Ernst des Versprechens wissen wir auch, dass es Scheitern gibt. Das Versprechen der Treue verhindert das Scheitern nicht. Aber es gibt auch dem
Scheitern seinen Ernst. Es lässt uns nicht bei der ersten Schwierigkeit den Bund auflösen.
Wie kann es in der Liebe Verbindlichkeit geben? Erich
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