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Was die Nacht verheißt

Titel: Was die Nacht verheißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Martin
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»Keiner von uns Medizinern weiß allzu viel über Verletzungen der Wirbelsäule. Ich hatte jedoch das Glück, an verschiedenen Fällen mitzuarbeiten. Der erste war der meines Bruders.«
    »Euer Bruder?«
    »Ja. Er wurde vom Pferd geworfen, als er einundzwanzig war. Die Verletzung, die er davontrug, sah der Euren recht ähnlich.« Er drückte sanft auf die Narbe, und Marcus richtete sich auf. »Was ich sagen will, ist, dass die Verletzung etwa an derselben Stelle der Wirbelsäule lag. Das ist wichtig, denn die Stelle scheint eine bedeutende Beziehung zur Schwere des Schadens zu haben. Im Falle meines Bruders brauchte es sehr viel Zeit und Mühe, aber schließlich schaffte er es, wieder zu gehen.«
    »Und so seid Ihr auf die Behandlung gekommen, die Ihr auch für Seine Lordschaft vorschlagt?«, fragte Brandy
    Der Doktor schob seine Brille auf der Nase nach oben. »Genau genommen geht diese Art der Behandlung zurück bis in die Antike. Die frühen Griechen schrieben schon von den Vorzügen von Sonne und Wasser. Auch die alten Chinesen gebrauchten Training und Massage, sogar die Ägypter.«
    Marcus schwieg dazu, schaute hinüber zu den beiden parallelen Balken und biss die Zähne zusammen.
    Der Doktor folgte der Richtung seines Blickes. »Es wird Zeit brauchen, Mylord. Ihr dürft den Mut nicht verlieren.«
    Aber Brandy konnte sehen, dass er fast überhaupt keinen Glauben an den Plan des Doktors hatte. Vielleicht, dachte sie, war das ein Teil des Problems.
    Marcus schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Wenn ich irgendeine Art von Reaktion spüren könnte, auch nur das kleinste Zeichen, dann hätte ich vielleicht mehr Hoffnung, dass dieses Programm funktionieren kann.«
    Darüber dachte der Doktor nach. Er durchquerte das Zimmer, öffnete seine Ledertasche und zog eine lange, gerade, ziemlich brutal aussehende Nadel heraus. »Als ich Euch letzte Woche untersuchte, konntet Ihr nur ganz wenig spüren, nichts Genaues. Wir haben kräftig an Euren Muskeln gearbeitet. Sollen wir es noch einmal versuchen?«
    Er zog sich einen Stuhl herbei, bückte sich und zog Marcus einen Schuh und die Socke aus. Seine Füße waren schlank, die Zehen gut geformt, die Nägel kurz geschnitten. Brandy hätte nie gedacht, dass sie die Füße eines Mannes attraktiv finden könnte, aber die von Marcus waren es irgendwie.
    Dann stieß der Doktor die Nadel in die Fußsohle, und ein langer Muskel in seiner Wade spannte sich unwillkürlich an.
    »Mein Gott!« Marcus wirkte verblüfft. »Ich habe es gespürt! Ich habe die Nadel wirklich gespürt!«
    »Und dein Bein hat sich bewegt!« Brandy stand vor Aufregung auf den Zehenspitzen. »Ich hab’s gesehen, Marcus, es hat sich wirklich bewegt!«
    »Ja ... das habe ich natürlich nicht absichtlich gemacht, aber es hat sich dennoch bewegt.«
    Der Doktor lächelte. »Ich dachte, dass es das vielleicht tun würde. Da habt Ihr also Euer Zeichen, Lord Hawksmoor. Das Gefühl fängt langsam an zurückzukehren. Das hätte es vielleicht früher schon getan, wenn Ihr die richtige Stimulation bekommen hättet. Eure Muskeln beginnen zu reagieren. Der Rest ist jetzt Eure Sache.«
    Brandy sah Marcus an. Sie würde niemals den Ausdruck auf seinem Gesicht vergessen. Es war die reine Entschlossenheit.
    Marcus saß an der Kante des Holztisches, den sie für ihn konstruiert hatten, und seine schlaffen Beine hingen an der Seite herunter. Zum zehnten Mal an diesem Morgen holte er tief Atem, konzentrierte sich mit aller Kraft und bemühte sich, seine gelähmten Beine dazu zu bringen, dass sie sich bewegten.
    Schweiß brach auf seiner Stirn aus. Die Muskeln seiner Arme und seiner Brust spannten sich vor Anstrengung, die Sehnen an seinem Hals schienen vorzuspringen, und er biss so fest die Zähne zusammen, dass ihm der Unterkiefer wehtat.
    Aber es war keine Spur von Bewegung zu sehen.
    Er atmete langsam aus, denn der angehaltene Atem brannte in seiner Brust. »Verdammt noch mal! Wenn ich dieses elende Stechen mit der Nadel nicht gespürt hätte, würde ich euch jetzt alle miteinander zum Teufel schicken.«
    Aber er hatte es gespürt, ebenso sicher, wie er jetzt hier saß und versuchte, seine Beine zu bewegen. Und die Hoffnung, dass es ihm irgendwann vielleicht doch gelingen könnte, ließ es ihn immer wieder versuchen, auch wenn er jedes Mal zu versagen schien.
    Brianne, die auf einem Stuhl gesessen hatte, stand auf. Auf ihrem Gesicht verband sich ein Ausdruck von Mitgefühl mit klarer Entschlossenheit. »Ich weiß, wie schwer du

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