Was die Nacht verheißt
die Hände fest aneinander gedrückt, und stellte fest, dass er den Atem anhielt, während er auf ihre Antwort wartete, in der Hoffnung, dass es die richtige sein würde.
Langsam wandte sie sich wieder zu ihm um. »Wir sind schon sehr lange Freunde, Marcus. In Wahrheit sogar mehr als Freunde.« Ihr Blick wanderte wieder hinaus aufs Wasser, als bestimme die Macht der See ihr Leben ebenso sehr wie das seine. Dann richteten sich ihre Augen wieder auf ihn. »Wenn es dein Wunsch ist, wieder zur See zurückzukehren, dann habe ich ... als deine Freundin ... keine andere Wahl, als dir dabei zu helfen. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um dafür zu sorgen, dass dein Wunsch erfüllt wird.«
Marcus sagte nichts. Das Schuldbewusstsein kämpfte in seinem Inneren gegen sein Verlangen an. Er benutzte sie wieder, wie schon einmal, doch diesmal bekam sie wenigstens etwas zurück. Der Lehrer, den er angestellt hatte, Professor Isaac Felton, ein hagerer Mann mit einer spitzen Nase und ergrauendem mausbraunem Haar, war gestern am späten Nachmittag angekommen. Brianne hatte schon mit ihrem Unterricht begonnen.
»Wenn das so ist, werde ich mit deiner Erlaubnis jetzt nach Frederick klingeln. Ich glaube, es ist Zeit, dass er die Wanne vorbereitet.«
»Ja«, sagte sie leise. »Aber wenn du es erlaubst, werde ich heute warten, bis du fertig bist, bevor ich beginne, deine Beine zu massieren.«
Marcus nickte nur. Eigentlich hatte er es nicht so geplant, aber plötzlich war es ihm so lieber. Bei dem resignierten, ernsten Ausdruck auf ihrem Gesicht war es ihm eng in der Brust geworden. Er wollte ihr nicht wehtun. Das hatte er nie gewollt. Unglücklicherweise war die Wahrheit schlicht so, wie sie war, und es schien ihm seine Pflicht, sie zu warnen.
Das Seltsamste war, dass er feststellte, dass es ihm ebenfalls wehtat.
Brandy wanderte die Klippe oberhalb des Strands entlang und trat dabei mit der Spitze ihrer weichen Wildlederschuhe kleine Steine aus dem Weg. Es wurde langsam spät, die Sonne hing in Schleiern von wässrigem Gelb und Rosa über einem fernen Horizont.
Wind war aufgekommen, der ihre Röcke flattern ließ und ihr das Gehen auf dem felsigen Untergrund schwer machte, aber das war ihr egal. Sie brauchte diese Zeit allein, diese Zeit, um um ihre Träume zu trauern.
Selbst wenn sich ein Wunder ereignen würde, würde ich dich verlassen.
Das hatte sie natürlich ganz tief im Innern gewusst, dort, wo es nicht so wehtat. Er liebte sie nicht. Und er würde sie auch nie lieben.
Wenigstens hatte er nicht gelogen.
Ein leises Ziehen pochte unter ihrem Herzen. Er liebte sie nicht, aber er brauchte sie.
Und er begehrte sie. Egal, dass sein Körper nicht dementsprechend funktionierte, er begehrte sie doch. Das war nicht genug, würde nie genug sein, doch es war alles, was sie bekam, was sie je bekommen würde, und das würde sie annehmen.
Brandy blieb auf der Klippe stehen und sah zu, wie der feuergelbe Sonnenball langsam hinter den Hügeln verschwand. Das Herz war ihr schwer. Flo hatte sie vor den Gefahren gewarnt, die es bedeutete, einen Mann so endgültig zu lieben. Brandy hatte das Risiko gekannt, und doch hatte sie sich, mit dem Kopf voraus, in den Abgrund gestürzt.
Sollte sie sich jetzt zurückziehen? Hawksmoor House verlassen, bevor der Schmerz ihrer Liebe zu ihm noch heftiger wurde? Sie wusste, dass sie das nicht tun konnte. Sie hatte ihr Wort gegeben, und solange Marcus noch an seinen Sessel gefesselt war, würde sie bleiben. Und sie würde mit ihrem ganzen Herzen darum beten, ihren ganzen Willen dafür einsetzen, ihn zu befreien.
Obwohl sie wusste, dass er zurück zur See gehen würde.
Brandy seufzte und schlenderte weiter den gewundenen Pfad entlang. Wenigstens gewann sie auch etwas dabei, etwas Nützliches, das sie immer hatte haben wollen. Nach den nachmittäglichen Arbeitsstunden mit Marcus hatte sie den Rest des Tages mit ihrem neuen Lehrer, dem seltsam aussehenden Isaac Felton, verbracht, der früher Professor für feines Benehmen an der Lady Longmantle’s Schule für junge Damen gewesen war.
»Es ist nicht sinnvoll, Zeit zu vergeuden«, hatte der hoch gewachsene, dünne Mann gesagt, als sie einander vorgestellt wurden. »Ich sehe an Eurem leicht schiefen Knicks, dass wir eine Menge Arbeit vor uns haben.«
Brandy war errötet, hatte aber das Kinn gehoben. Obwohl sie die Grundlagen des guten Benehmens kannte und ein von Natur aus höflicher Mensch war, verstand sie wenig von den Feinheiten der
Weitere Kostenlose Bücher