Was die Nacht verheißt
den Laderaum gesperrt, und ich bin schuld daran. Er ist so ein netter Mann. Es ist einfach nicht gerecht.«
»Es ist mehr als gerecht, Mädel. Es ist eine eherne Regel, dass jeder gemeldet werden muss, der ohne Erlaubnis an Bord ist. Das wusste Josh, als er sich entschlossen hat, nichts zu sagen. Und der Käpt’n musste ihn bestrafen, damit er keine Schwierigkeiten mit dem Rest der Mannschaft bekommt. Josh kann von Glück sagen, dass er nur in den Lagerraum gesperrt und auf halbe Ration gesetzt ist und nicht eine viel schlimmere Strafe bekommen hat.«
Halbe Ration? Der arme Mr. Dobbs. Brandy sagte nichts weiter, aber ihre Laune blieb gereizt. Vielleicht hatte ja Marcus wirklich so handeln müssen, und sie konnte seine Lage auch irgendwie verstehen. Trotzdem war es ihre Schuld, und das konnte sie nicht einfach vergessen.
Sie arbeiteten den ganzen Tag, kochten und putzten, und fingen dann wieder von vorn an. Wenn beinah fünfzig Männer satt zu bekommen waren, nahm die Arbeit kein Ende. Der Kajütenjunge Dickey Tabor kam irgendwann, um das Essen aufzutragen, während Brandy außer Sicht in der Kombüse blieb, danach setzten sie drei sich auch hin und aßen. Dickey betrachtete sie misstrauisch, als hätte sie seinen Platz beim Kapitän, zusammen mit seinem Bett, mit Beschlag belegt. Sie versuchte, sich ein wenig mit ihm anzufreunden, aber er blieb mürrisch, und schließlich gab sie den Versuch auf.
Von Zeit zu Zeit erschienen Männer aus der Mannschaft in der Kombüse, um das eine oder andere zu besorgen. Auch Hamish Bass kam mehrmals vorbei. Ein gut aussehender junger, blonder Matrose namens Brigham Butler erschien, weil er bei der Arbeit am Hochsegel oben in den Seilen eine Wunde am Arm abbekommen hatte. Cyrus versorgte die Wunde und schickte ihn wieder an die Arbeit, aber Brandy konnte nicht umhin, sein draufgängerisches Lächeln und den eindringlichen Blick zu bemerken, den er ihr zuwarf, bevor er wieder hinausging.
Ein hart wirkender glatzköpfiger Seemann namens Jillian Sharpe kam herein, ein Fass mit gesalzenem Hering auf der Schulter, das er aus dem Laderaum geholt hatte. Cyrus grummelte einen Dank und scheuchte den massigen Mann schnell wieder hinaus.
Und Löwenzahn erschien zum ersten Mal.
»Sie ist klug genug, nicht hierher zu kommen und um Futter zu betteln«, meinte Cyrus mit einem finsteren Blick und hob die bunt gefleckte Katze auf, die von Beruf die Schiffskatze war. »Sie soll Mäuse fangen und für ihr Essen arbeiten wie der Rest der Mannschaft.« Aber seine Hände waren sanft, als er sie zur Tür trug und aufs Deck hinaussetzte. Löwenzahn hob das Kinn und miaute missbilligend, dann strich sie davon.
Alles in allem war es ein aufregender, anstrengender Tag. Bis zum Einbruch der Nacht war Brandy erschöpft, aber sie war an harte Arbeit gewöhnt und würde sich auch an diese gewöhnen.
Und es gab etwas Wichtiges, das ihr noch zu tun blieb.
4
Es schien Stunden zu dauern, bis das Abendessen endlich vorüber war, die Teller und die Töpfe gespült und für den nächsten Tag vorbereitet. Bis Brandy endlich so weit war, dass sie die
Kombüse verlassen konnte, hatte sie ein Leinentuch mit Brot und Fleisch in ihrer Bluse versteckt und sich einen Plan ausgedacht, wie sie sicher in den Laderaum kommen könnte.
Es gab keine Möglichkeit, den armen Mr. Dobbs aus seinem Gefängnis zu befreien, aber sie konnte wenigstens dafür sorgen, dass er etwas Anständiges zu essen bekam.
Es war schon einige Zeit nach Einbruch der Dunkelheit, als sie schließlich aus dem Deckhaus trat, wo eine kräftige Brise wehte, die das Schiff im Wasser langsam hin und her schaukeln ließ. Wie der Kapitän befohlen hatte, brachte Cyrus Lamb sie zurück zu ihrer Kajüte.
»Ich denke, der Käpt’n wird auch bald herunterkommen.« Sein Blick rutschte zu den Fußbodenbrettern, und seine rosa Ohrläppchen wurden noch ein wenig dunkler. »Es gibt nicht viele Männer, die einem Mädchen mit Euren Reizen lange fern bleiben könnten. Wenn er erst hier ist, werdet Ihr in Sicherheit sein. Gute Nacht, Mädel.«
Brandy errötete auch, weil ihr klar wurde, wie es für den Koch und den Rest der Mannschaft aussehen musste, wenn sie die Kajüte des Kapitäns teilte. Marcus hatte sie gewarnt, aber eigentlich konnte sie an der Sache nichts ändern.
»Gute Nacht, Cyrus.« Sie machte die Tür hinter sich zu und lehnte sich dagegen. Der Kapitän würde herunterkommen, und zwar bald, aber nicht wegen ihrer Reize, sondern einfach nur, weil er
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