Was die Nacht verheißt
zerzaustes Haar mit der rauen Bürste, die sie eingepackt hatte, dann stieg sie in die Wanne.
Mit einem genussvollen Seufzer ließ sie sich ins Wasser sinken und lehnte sich eine lange, zufriedene Weile nur an den warmen Rand der Kupferwanne. Dann griff sie nach der Seife, die Dickey Tabor für sie bereitgelegt hatte, und begann, sich das Haar zu waschen.
Ein Feuer brannte in dem kleinen eisernen Ofen in der Ecke der Kajüte. Nachdem sie ihr Bad beendet hatte, trocknete sie in seiner Nähe die langen, schweren Strähnen und zog sich dann eilig den einfachen braunen Rock und die weiße Baumwollbluse an, die sie in das Bündel gepackt hatte. Das andere Kleid, das beste, das sie hatte, ein hellgrünes Musselinkleid mit hoher Taille, hängte sie in ihrer kleinen Kajüte auf in der Hoffnung, dass die Seeluft den zerknitterten Stoff glätten würde, bevor das Schiff sein Ziel erreichte.
Es dauerte nicht lange, da ertönte ein kurzes Klopfen an der Tür - wohl Hamish Bass oder Cyrus Lamb, der gekommen war, um sie zur Kombüse hinaufzubegleiten. Als sie zur Tür ging, um sie zu öffnen, sah sie sich flüchtig in dem kleinen ovalen, silberfleckigen Spiegel an Dickey Tabors Wand. Frisch gewaschen war ihr Haar von einem strahlenden, glänzenden Kupferrot, lang und dicht und mit einem Stück braunem Samtband zurückgebunden. Ihre Bluse war sauber, und obwohl nicht tief ausgeschnitten, lag sie eng an ihrem vollen Busen an und lief schmal zur Taille hin aus.
Sie wirkte eindeutig fraulich, obwohl die Kleider einfach waren und sicher nicht neu. Unwillkürlich fragte sie sich, ob Marcus die Veränderung wohl bemerken und ob sie ihm gefallen würde.
Unglücklicherweise sah Brandy den Kapitän den ganzen Tag lang nicht. Hamish Bass brachte sie am Morgen zur Kombüse, und am Ende des Abends begleitete sie Cyrus Lamb wieder zurück zur Kajüte. Sie seufzte, als sie daran dachte, dass sie nach den langen Stunden harter Arbeit nicht mehr so frisch und proper aussah wie am Morgen, doch die frauliche Erscheinung war geblieben. Wenn Marcus sie nur so sehen würde.
Jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit sah ihr der eine oder andere Matrose nach, aber ihre Beschützer ließen klar erkennen, dass sie tabu war, und sei es auch nur für eine kurze Unterhaltung. Sie hatte sich die Reise eigentlich nicht so vorgestellt, und sie runzelte öfter die Stirn wegen der vielen Stunden, die sie seit ihrer Abfahrt von Charleston in engen Räumen zugebracht hatte.
Wenigstens bekam sie auf ihrem nächtlichen Weg ein wenig frische Luft. Sie freute sich immer auf den Moment, wenn sie abends über das windige Deck wanderte und, solange sie konnte, hinaufschaute zu der silbrigen Mondsichel und über die schwarze, endlose See.
»Der Käpt’n kommt bald zu Euch«, sagte der kleine Kobold-Koch. »Gute Nacht, Mädel.«
»Gute Nacht, Cyrus.« Sie warf ihm ein letztes strahlendes Lächeln zu und versuchte, sich nicht anmerken lassen, wie ungeduldig sie darauf wartete, dass er fortging. Kaum fiel die Tür ins Schloss, rannte sie in ihre kleine Kajüte, schnappte sich die Wollmütze und zog sie sich über das glänzende Haar, damit die leuchtende Farbe im Dunkeln nicht zu sehen war. Ihr Herz pochte heftig wie jede Nacht, wenn sie ihr riskantes Abenteuer unternahm.
Brandy holte tief Luft, um sich zu beruhigen, prüfte mit einem Blick den Gang, ob auch niemand da war, trat aus der Kajüte und machte sich auf den Weg in den Laderaum.
Inzwischen kannte sie den Weg gut, und sie brauchte nicht lange, um den kleinen Raum zu erreichen, in dem Joshua Dobbs eingesperrt war. Er stand auf, als er sie kommen hörte, und schaute durch den Schlitz in der Tür.
»Ich habe es Euch doch schon einmal gesagt, Miss, Ihr solltet nicht herkommen. Der Käpt’n wird wütend auf uns beide sein, wenn er herausfindet, dass Ihr hier wart.«
»Der Kapitän wird es nicht herausfinden, und falls doch, könnt Ihr ja wohl kaum etwas dafür, dass ich Euch Essen durch die Tür geschoben habe.«
Das Licht einer Laterne auf dem rauen Plankenboden drang schwach durch die Öffnung, gerade genug, dass sie Josh grinsen sehen konnte, wobei sich tiefe Lachfalten an seinen Augenwinkeln ausbreiteten.
»Ich will nicht sagen, dass es mir nicht gut schmeckt. Der Schinken war verdammt gut, und das Stück Pökelfleisch von gestern auch. Und Ihr backt wirklich ein sehr leckeres Brot, Miss Winters.«
»Heute Abend habe ich gekochtes Huhn mitgebracht.« Erstaunt hatte sie festgestellt, dass die Seehabicht mit
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