Was die Nacht verheißt
das Vorsegel hissen. Hebt die Spieren und bringt die Leesegel hoch. Wenn wir Glück haben, bekommen wir einen guten, steifen ablandigen Wind und können ein wenig der Zeit aufholen, die wir verloren haben.«
»Aye, Käpt’n.« Hamish grinste, und sein Mund wirkte wie eine große rosa Öffnung in seinem dichten grauen Bart. »Wird gut sein, wenn die Seehabicht wieder in Bewegung kommt und davongeht wie ein flinkes Bötchen.« Marcus nickte kurz, und Hamish begann, seine Befehle auszuführen.
»Wollt Ihr, dass ich jetzt das Steuerruder übernehme, Käpt’n?«
Marcus nickte noch einmal. »Es war ein langer Tag, Hamish. Ich freue mich auf eine ordentliche Mütze Schlaf.« Der Ausdruck seines Freundes schien zu sagen, dass er sich dessen nicht ganz so sicher wäre, angesichts des hübschen kleinen Dings, das in letzter Zeit seine Kajüte teilte. Marcus seufzte, als er daran dachte, und erinnerte sich auf dem Weg unter Deck gut daran, wie schwer es ihm in den letzten Tagen gefallen war einzuschlafen.
Er wünschte sich, dass er heute Nacht müde genug sein würde, sodass ihre Anwesenheit ihm nichts mehr ausmachte.
Das Schiff schauderte ein wenig, als die Segel hochgezogen wurden und die Seehabicht wieder auf Kurs ging. Marcus spürte das kaum. Er dachte an Brandy Winters und hoffte, sie würde sich an das gewohnte Muster halten und schon fest eingeschlafen sein. Als er seine Kajüte erreichte, machte er vorsichtig die Tür auf, sah sich um und atmete erleichtert auf. Das junge Mädchen hatte sich schon zurückgezogen, und dafür war er mehr als dankbar.
Er horchte einen Augenblick, hörte aber keine Bewegung in dem kleinen Raum neben dem seinen. Nur ein schneller Blick hinter den Vorhang, um zu bestätigen, dass sie sicher in ihrem Bett lag, und dann würde er sich schlafen legen können.
Marcus hob den Vorhang und starrte ins Dunkel. Seine Augen brauchten einen Moment, um sich daran zu gewöhnen und sein Gehirn davon zu überzeugen, dass das, was er jetzt sah, wirklich den Tatsachen entsprach. Die Koje war nicht gemacht. Der kleine Raum war leer. Sein Mund wurde schmal vor Zorn, und im selben Augenblick begann sein Herz vor Furcht zu rasen.
Brianne Winters war nicht in ihrer Kajüte, und auch nicht in der seinen. Marcus fluchte, seine Hände ballten sich vor Wut zu Fäusten. Wenn er sie diesmal fand, würde er sie vielleicht wirklich schlagen!
Brandy wehrte sich heftig, zerrte an den rauen, dicken Fingern, die auf ihren Mund gepresst waren. Eine breite Brust drückte sich an ihren Rücken, und ein dicker, muskulöser Unterarm lag wie ein Schraubstock um ihre Taille, sodass sie kaum atmen konnte. Sie trat nach hinten aus, und ihr brauner Lederschuh traf hart auf sein Schienbein, aber ihr Angreifer lachte nur.
»Du bist wirklich ein feuriges kleines Stück. Man kann ja schon hart werden bei dem Gedanken, wie sich das ganze Sträuben und Aufbäumen unter einem anfühlt.«
Sie wurde von einem neuen Schub Angst überrollt, und ein Wimmern ertönte aus ihrer Kehle. Das Geräusch erstarb hinter seiner Hand, und dafür war sie dankbar. Sie wollte nicht, dass er ihre Angst sah und wusste, welches Grauen in ihr wuchs. Instinktiv war ihr klar, dass das genau das war, was er genoss.
Ihre Augen rollten wild und suchten wie verrückt nach etwas oder jemandem in ihrer Umgebung, die ihr helfen könnten. Sie war ein Geschoss unter dem offenen Deck, tief genug im Laderaum, sodass es um sie her dunkel und feucht war, und Reihen von Kisten und Schachteln waren der ideale Ort für ihn, um sein Vorhaben auszuführen. Er hatte das wohl auch so geplant, denn er tauchte tiefer in die Schatten, zerrte sie rückwärts, hob sie mit einer Leichtigkeit hoch, die sie abstoßend fand.
Sie versuchte zu schreien, aber der Schrei wurde von einer dicken, schwieligen Hand erdrückt, und sie bemühte sich vergebens. Sie schwang eine Faust rückwärts, traf ihn hart an der Schläfe, dann zog sie die Nägel quer über sein Gesicht. Ein zischendes Geräusch kam von seinen Lippen, und er drehte sie heftig zu sich um und packte sie an der Kehle, bevor sie auch nur ein leises Quietschen von sich geben konnte.
»Dafür wirst du bezahlen, Mädchen. Und ich warne dich -noch so ’n fieser Trick und ich probier mein Messer an deinem Gesicht und schneide dich in kleine Stücke.« Er schüttelte sie. »Hast du verstanden, Mädchen?«
Sie nickte und schloss die Augen halb, um ihre Angst nicht zu zeigen. Im schwachen Licht der Walöllampe, die an der Wand
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