Was die Nacht verheißt
Und zum ersten Mal in ihrem Leben würde sie bekommen, was sie wollte.
Brandy lächelte. »Gute Fahrt, Kapitän.«
Er nickte nur und winkte, war mit den Gedanken schon beim Schiff und seinen Leuten. Brandy sah seinen breiten Rücken in jene Richtung verschwinden, dann machte sie kehrt und hastete zum Wirtshaus zurück. Sie hatte nur zwei Tage Zeit. Zwei Tage. Das war kaum genug Zeit, um Pläne für eine Reise zu machen, die vielleicht ihr ganzes Leben verändern würde. Schon der Gedanke daran faszinierte sie. Brandy grinste und lief schneller.
»Nun, Käpt’n, was denkt Ihr?«
Es war spät am Nachmittag. Marcus, der auf dem Kai neben dem Schiff stand, betrachtete das gebrochene Ruder, das von der Seehabicht abmontiert und ersetzt worden war.
»Ich weiß nicht. Wenn man sich die Bruchstelle im Holz ansieht, scheint sie irgendwie zu sauber. Es besteht eine gewisse Möglichkeit, dass es angesägt worden ist, aber sicher können wir nicht sein. Und diese Eindrücke ... als hätte jemand mit etwas Hartem dagegengeschlagen. Möglicherweise wollte jemand, dass das Ruder bricht. Wenn man das Holz schwächt, könnte man das beschleunigen.«
Hamish Bass, der Erste Maat an Bord der Seehabicht und seit langem Marcus’ Freund, betrachtete das lange, glatt abgebrochene Stück Holz, das völlig nutzlos geworden war. »Jawoll, das könnte sein, Käpt’n. » Er kratzte sich an seinem zerzausten grauen Bart. »Andererseits, wenn man sich vorstellt, welchen Widerstand vom Wasser es aushalten muss, ist es schwer zu sagen. Könnte sein, dass es einfach nur so aussieht.«
Marcus fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Da hast du wahrscheinlich Recht. Trotzdem ist dies der dritte Schaden, den wir in den letzten zwei Monaten hatten, und das gefällt mir überhaupt nicht. Ich schätze, ich suche nach jeder noch so entfernten Möglichkeit, die eine Erklärung bieten könnte.«
»Es gibt kaum jemanden, der einen Grund haben könnte, so etwas zu tun.«
»Nein. Vielleicht einer aus der Mannschaft, der irgendwie verärgert ist und mir übel will.«
»Ihr habt eine treue Mannschaft, Käpt’n. Sie wissen, dass Ihr ein gerechter Mann seid und wesentlich nachgiebiger als die meisten anderen. Alle sind froh, eine Koje an Bord der Seehabicht zu haben, die meisten sind mehr als dankbar dafür.«
Er nickte, und es erfreute ihn, so etwas zu hören. »Die Reparatur hat uns einige Zeit gekostet, aber mit der Extraladung, die wir zu den Bahamas bringen, werden wir sogar einen Vorteil davon haben.«
Hamish grinste schief. »Na also. Jetzt sieht alles schon wieder besser aus.«
Marcus lächelte. »Vielleicht hast du Recht. Ich schätze, wir sind bis zur Flut bereit zum Auslaufen.«
»Aye, Käpt’n. Bis dahin ist sie klar.«
Marcus nickte noch einmal, und sie wandten sich um und gingen zurück zum Steg, der auf Deck führte. Die Seehabicht war ein dreimastiges Schiff mit vollen Segeln, das sehr schnell fuhr, das Flaggschiff der Flotte der Hawksmoor Schifffahrtsgesellschaft und das beste Schiff, auf dem Marcus je gesegelt war. Es gehörte ihm nun seit zwei Jahren, und er war stolz auf diesen Besitz, stolz auf den Erfolg, den er gehabt hatte und durch den es ihm möglich gewesen war, ein so schönes Schiff zu kaufen.
Als sie auf dem Oberdeck angekommen waren, klopfte er dem älteren Mann auf die Schulter. »Leg dich jetzt besser noch hin, Hamish. Du hast heute Nacht die Wache, und der Morgen kommt schneller, als du denkst.«
Der andere nickte und winkte, als er davontrottete. Marcus lehnte sich an die Reling und lächelte über seinen leicht o-beinigen, schwankenden Seemannsgang. Vielleicht hatte Hamish Recht, und sie hatten ihre Pechsträhne überwunden - Marcus hoffte es sehr. Er war im letzten Monat dreißig Jahre alt geworden. Seit sechs Jahren nun, seit er in einer Schlacht gegen die Franzosen in die Schulter geschossen worden war und die Marine verlassen hatte, war sein einziges Ziel gewesen, die Hawksmoor Schifffahrtsgesellschaft so aufzubauen, dass sie zu dem erfolgreichen Unternehmen wurde, das sie schließlich auch geworden war.
Vor einem Jahr war sein älterer Bruder Geoffrey ertrunken, als eine Brücke einstürzte und seine Kutsche in den Fluss stürzte. Marcus hatte dadurch den Familientitel und eine Menge Geld geerbt, doch am Anfang war es ganz anders gewesen. Er hatte die Hawksmoor Schifffahrtsgesellschaft mit einem winzigen Erbe begonnen, das er von seiner Großmutter mütterlicherseits bekommen hatte. Er hatte damals
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