Was die Nacht verheißt
sechzehn Stunden am Tag gearbeitet, um die Gesellschaft zum Erfolg zu bringen, und er war entschlossen, dass es so bleiben sollte.
Er starrte hinüber zum Kai, spürte das leichte Klatschen der Wellen an den Rumpf seines Schiffes, genoss das salzige Aroma der Luft, den Geruch nach nassem Hanfseil und Teer, das Gefühl der Feuchtigkeit auf der Haut. Er liebte sein Leben draußen auf See, dieses Leben, das er so entschlossen für sich erschaffen hatte. Er hatte den Ozean schon geliebt, als er noch ein Junge war und in Hawksmoor House lebte, hoch auf den Klippen von Cornwall über dem windgepeitschten Wasser.
Es war ein Leben, das er nie aufgeben würde, nicht für die Liebe und nicht für Geld, nicht einmal um seiner Verantwortung als Graf nachzukommen. Darum konnte sich sein jüngerer Bruder kümmern und auch Zusehen, dass der nötige Erbe der Hawksmoors gezeugt wurde. Marcus würde niemals heiraten. Es gab keine Frau auf der Welt, der es möglich sein würde, die Verlockungen jener Geliebten zu übertreffen, die er über alles verehrte.
Marcus stellte sich die See als eine schöne Frau vor, die seine Seele ganz mit Beschlag belegt hatte, und lächelte.
2
»Was willst du machen?«
Brandy grinste. »Sage ich doch - ich segele zu den Bahamas. Wir legen mit der Flut morgen früh ab.«
Flo sank auf das schmale Bett in Brandys kleinem Dachzimmerchen über dem Wirtshaus. »Du bist wahnsinnig. Wenn du auch nur daran denkst wegzulaufen, wird dich dein Vater umbringen.«
»Ich laufe nicht weg. Ich mache eine Reise. Ich bin in weniger als dreißig Tagen zurück. Wenn mein Vater mich umbringen will, wird er bis dahin warten müssen.«
»Du lächelst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du dies wirklich lustig findest. Was denkst du, was Big Jake tun wird, wenn er herausfindet, was du gemacht hast?«
»Vielleicht wird er es nie herausfinden ... wenigstens nicht genau. Ich hinterlasse ihm eine Nachricht. Darin schreibe ich, dass ich gegangen bin, um Cousine Myra in Savannah zu besuchen. Er wird natürlich wütend sein, aber das ist mir egal. Bis ich wiederkomme, werde ich mir überlegt haben, was ich vorhabe, mit dem Rest meines Lebens anzufangen - und das wird nicht sein, mich im Wirtshaus zum Weißen Pferd krumm zu schuften. Ich werde mein Leben nicht wegschmeißen, nur damit mein Vater noch mehr Geld machen kann. Herr im Himmel, ich schwöre, dass das eine Art Krankheit ist. Er bekommt nie genug. Er ist nie zufrieden. Und was mich betrifft, habe ich davon jetzt die Nase voll.«
Brandy kam herüber zu ihrer Freundin. »Das Einzige, was mir hier fehlen wird, bist du, Flo.« Sie grinste. »Bist du sicher, dass du nicht mitkommen willst?«
Flo schniefte ablehnend und hob eine dunkle Augenbraue.
»Wenn ich mich dabei so anziehen muss, besteht nicht die geringste Chance, dass mich das in Versuchung führen könnte.«
Brandy schaute hinab auf die Kleidung eines Kabinenjungen, die sie dem alten Salty Johnson stibitzt hatte: ein paar raue, braune Kniehosen und ein handgewebtes Hemd mit weiten Ärmeln. »Und ich dachte, ich sehe eher hinreißend aus.«
»Hinreißend ? Du siehst aus wie ein Gassenjunge. Wenn deine großen Katzenaugen nicht wären -«
»Ist mir egal, wie ich aussehe, solange ich nur an Bord des Schiffes komme.« Sie griff nach Flos Hand. »Ich wünschte, du würdest mitkommen, aber ich habe nie wirklich geglaubt, dass du es tun könntest. Ich bete nur, dass sie mich nicht schnappen, während ich versuche, mich an Bord zu schleichen, und dass mich keiner findet, bis wir weit genug draußen auf See sind, sodass der Kapitän mich nicht zurückbringen kann.«
Flo drückte ihre Hand. »Er wird mächtig wütend sein, denk daran. Unter seiner kühlen Fassade ist er sogar ein noch härterer Mann als dein Vater. Der Himmel weiß, was er tun wird.«
Brandy schauderte unwillkürlich. Marcus Delaine war immer nett zu ihr gewesen, doch er besaß auch eine rücksichtslose Seite, die sie mehr als nur einmal bemerkt hatte. Er war ein Mann, dem es nicht gefiel, wenn man ihn betrog. Und das genau war es natürlich, was sie tat, wenn sie sich unerlaubt an Bord seines Schiffes schlich und als blinder Passagier unter Deck versteckte.
Sie fragte sich, was er wohl auf See mit ihr machen würde, wenn sie plötzlich auf dem Deck seines Schiffes auftauchte. Sie freute sich nicht besonders auf diesen Augenblick, doch was immer auch die Folgen sein würden, sie würde sich nicht abhalten lassen.
»Ich muss dies einfach machen,
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