Was die Nacht verheißt
vielleicht war es auch einfach Marcus’ Abreise und das Wissen, dass sie ihn nie wieder sehen würde, wenn er erst an Bord des Schiffes gegangen war.
»Zeit zu gehen«, sagte er leise, und seine Worte durchschnitten die Stille und rührten an eine Leere tief in ihrem Innern.
Sie sah in sein Gesicht. »Ich weiß.«
»Ich werde dich nicht so bald vergessen, Brianne.«
Brandy schluckte schwer. »Eines Tages wirst du zurückkommen. Du wirst wieder nach Charleston kommen, wie du es immer getan hast.«
Er schüttelte nur den Kopf. »Du darfst nicht auf mich warten, Brandy. Du musst an dich und deine Zukunft denken. Nimm dir vom Leben, was du gern möchtest. Tu das, was du tun willst - so wie ich es ebenfalls tun werde.«
Sie wandte den Blick ab. Er würde nicht auf sie warten. Das hatte er damit ganz klar zum Ausdruck gebracht. Und auf ihn zu warten würde nichts nützen, nicht, da ganz offensichtlich war, wie wenig sie ihm bedeutete und dass sie sicher sein konnte, in seiner Zukunft keine Rolle zu spielen.
»Ich weiß, dass du Recht hast. Genau das werde ich tun.« Doch dadurch wurde der Abschied nicht leichter. Und ihre Liebe für ihn wurde auch nicht weniger.
»Ich werde mich immer an unsere gemeinsamen Tage erinnern, Brianne«, sagte er. »Du hast mir etwas geschenkt, das ich immer schätzen werde.« Sein Gesicht wirkte ernst, beinah streng. »Ich möchte dir auch ein Geschenk geben.« Er griff in die Tasche seiner Weste, holte eine kleine Silberdose heraus und legte sie in ihre Hand. »Mach sie auf.«
Das tat Brandy mit zitternden Fingern. Auf einem Bett aus tiefdunkelrotem Samt lag ein kleiner, vorzüglich gearbeiteter silberner Anhänger.
»Den habe ich vor ein paar Jahren in Spanien gekauft, ohne je wirklich zu wissen, warum. Jetzt weiß ich, dass er für dich war.«
Brandy blinzelte, und eine heiße Träne begann, über ihre Wange zu rollen. Sie neigte den Kopf, damit Marcus ihr die Kette um den Hals befestigen konnte, und der Anhänger legte sich kühl auf die Haut an ihrem Halsansatz. Ihre Finger strichen über das wunderschön geschnittene Silber des Anhängers.
»Danke«, flüsterte sie. »Ich werde es immer in Ehren halten.« Sie fragte sich, ob er, wenn er erst fort war, überhaupt noch an sie denken würde. Ob er noch mit angenehmen Erinnerungen zurückdenken würde an die leidenschaftlichen Stunden, die sie sich geliebt hatten. Sie wäre sicher gewesen, dass es nicht so sein würde, wenn er sie nicht im letzten Moment noch einmal berührt hätte, seine Finger strichen ganz sacht über ihre Wange, und sie spürte, dass er zitterte.
»Ich hoffe, dass du findest, was immer du suchst«, sagte er leise. »Ich hoffe, dass du glücklich wirst.«
Brandy hielt die Tränen zurück. »Das wünsche ich dir auch, Marcus.«
Er nickte nur. Dann neigte er den Kopf und streifte ihre Lippen mit einem Kuss, doch noch während er sich verabschiedete, schienen seine Gedanken sich abzuwenden, als wäre er schon wieder auf See, auf seinem Schiff und auf dem Weg zum nächsten großen Abenteuer. Er machte kehrt und ging los, seine langen Beine bewegten sich entschlossen die Laufplanke hinauf. Oben blieb er stehen und sah noch ein letztes Mal zu ihr zurück, mit einem langen, durchdringenden Blick, der ein
Dutzend verschiedene Dinge hätte bedeuten können. Brandy wollte gern glauben, dass er sich bemühte, ein Bild von ihr in Erinnerung zu behalten.
So wie sie auch immer eines von ihm in ihrem Innern tragen würde.
Zwei Monate vergingen. Brandy hätte nie geglaubt, wie schwierig diese zwei Monate sein würden. Es verging kein Tag, an dem sie nicht an ihn dachte, an dem sie ihn nicht vermisste. Sie liebte ihn verzweifelt, und die Tatsache, dass er aus ihrem Leben verschwunden war, schien dabei nicht die geringste Rolle zu spielen.
Es gab Zeiten, zu denen sie wünschte, sie wäre nie als blinder Passagier auf sein Schiff gegangen, doch was das betraf, hatte sich wenigstens etwas Nützliches aus ihrem großen Abenteuer ergeben. Der unbehagliche Waffenstillstand, den sie mit ihrem Vater geschlossen hatte, blieb in Kraft. Wie sie gehofft hatte, war ihm erst während ihrer Abwesenheit aufgefallen, wie wertvoll ihre Hilfe für ihn war. Genau genommen brauchte er sie einfach, um das Wirtshaus zu leiten.
Und vielleicht hatte er auch ein klein wenig Angst vor Marcus Delaine.
Was immer auch der Grund gewesen sein mochte, vom Tag ihrer Rückkehr an behandelte er sie mit dem gleichen Respekt wie seine anderen
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