Was die Nacht verheißt
nach wie vor entschlossen, auch wenn es ihr etwas flau im Magen war.
Der Bürgersteig knarrte unter ihren Füßen, als sie den Häuserblock entlangwanderte bis zu dem Haus mit dem großen roten Zeichen, das an der dicken Wand hing. Als sie die schwere Eichentür erreicht hatte, die hineinführte, sah sie sich noch einmal um.
Sie war überrascht, Marcus’ große Gestalt am Ende der Laufplanke stehen zu sehen, von wo aus ihr sein dunkler Blick immer noch folgte, selbst jetzt, als sie ins Wirtshaus Weißes Pferd trat.
Marcus kehrte zum Deck der Seehabicht zurück, während seine Mannschaft die letzten Arbeiten erledigte, die nötig waren, das Schiff zu sichern und für die morgigen Ladearbeiten bereitzumachen. Wasserfässer mussten wieder gefüllt werden, die Speisekammer mit allem Nötigen versehen und neue Seile an Bord gebracht werden. Auch kleinere Reparaturen waren auszuführen.
Es war noch viel zu tun, doch er konnte an nichts anderes als an Brianne denken. Sie hatte das Geld abgelehnt, das er ihr angeboten hatte, und jetzt war sie auch zum Wirtshaus Weißes Pferd zurückgekehrt.
Was würde Big Jake sagen, wenn er sie sah? Was würde er annehmen, warum sie so unerwartet verschwunden war? Und vor allem: Was würde er tun?
Je länger Marcus darüber nachdachte, desto unbehaglicher wurde ihm. Verdammt, er hätte mit ihr mitgehen sollen, ob sie das wollte oder nicht.
Als Hamish Bass gewohnt breitbeinig auf dem Oberdeck erschien, trat ihm Marcus entgegen. »Mir ist etwas dazwischengekommen. Ich habe etwas zu erledigen. Ich bin bestimmt nicht lange weg. Sieh nach dem Schiff, bis ich wiederkomme.«
»Aye, Käpt’n.« Hamish zog die Pfeife zwischen seinen Zähnen hervor und lächelte in seiner wissenden Art. »Ich habe mir wegen des Mädels auch Sorgen gemacht. Jake Winters ist ein harter Mann und verzeiht nicht leicht.«
Marcus nickte nur. Hamish schien immer zu wissen, was er dachte. Und diesmal hatte er auch Recht. Marcus ging die Laufplanke hinunter und den Kai entlang bis zum Wirtshaus. Im Schankraum saß eine Hand voll Matrosen, doch es war noch nicht voll. Sein Blick überflog den rauchigen Raum, aber Brianne konnte er nirgends entdecken.
Stattdessen sah er die dunkelhaarige Bedienung, die auch im Wirtshaus arbeitete. Sie war über einen Tisch in der Ecke gebeugt und servierte einer Gruppe von halb betrunkenen Seeleuten eine Runde Drinks. Doch ihr Blick huschte immer wieder zu der Tür, die nach hinten aus dem Wirtshaus führte - und dabei wirkte sie entschieden besorgt.
Ein unbehagliches Schaudern durchlief Marcus, und er eilte auf die Frau zu.
»Entschuldigt, Miss ...«Er versuchte, sich an ihren Namen zu erinnern.
»Nur Flo, Kapitän Delaine, aber ich bin wirklich froh, Euch zu sehen. »Big Jake ist gerade reingekommen. Als er Brandy sah, ist er mehr oder weniger durchgedreht.«
Marcus wurde am ganzen Körper steif. »Wo sind sie?«
Flo nahm ihn beim Arm und zog ihn zur Hintertür des Wirtshauses. Bei jedem Schritt wurde der Knoten in seinem Magen härter.
»Er hat sie hinaus zum Stall gezogen. Dabei hat er sie mit schrecklichen Sachen verglichen, wollte wissen, wo sie wirklich war. Er hatte eine Wut, wie ich sie noch nie bei ihm erlebt habe. Ihr müsst ihr helfen, Käpt’n, bevor Big Jake ihr noch irgendetwas antut.«
Marcus wartete nicht auf weitere Erklärungen. Er rannte aus der Tür, als wäre er aus einer Kanone abgeschossen worden, und über den Hof zum Stall auf der Rückseite. In einem Sattelraum am anderen Ende konnte er Big Jake schreien hören, und sein Herz schlug ihm bis in die Kehle.
»Ich werd dir das schon ausprügeln, Mädel. Ich werde dich peitschen wie noch nie zuvor!«
»Lass mich in Ruhe!«, warnte ihn Brianne. »Ich lasse mich nicht mehr von dir schlagen. Ich bin kein Kind - ich bin eine Frau. Und ich habe keine Angst mehr vor dir.«
Big Jake knurrte. »Bei Gott, Mädchen, du solltest lieber Angst haben.« Marcus hörte das Geräusch von Leder, das auf Fleisch auftraf, und seine Wut machte ihn noch schneller. Als er die Sattelkammer erreicht hatte, riss er die grobe Holztür auf, wo ihm der Geruch von altem Leder und Heu entgegenschlug. Brianne starrte ihren Vater an, den einen Arm gehoben, um ihr Gesicht zu schützen. Ein langer roter Striemen lief von ihrem Ellenbogen zur Schulter.
»Aufhören, Jake!« Marcus packte den Lederriemen und riss ihn dem Mann aus den großen Händen. »Brianne hat Recht. Sie ist eine Frau, kein Kind. Was sie tut, ist ihre Sache, nicht
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