Was die Nacht verheißt
Blau. Aber sein Haar hatte dasselbe leicht gelockte Schwarz, und seine Haut wäre ebenso dunkel gewesen, wenn er gleich viel Zeit in der Sonne verbracht hätte.
Rex war als jüngster der drei Delaine-Brüder der mit dem unproblematischsten Charakter und dem meisten Charme, obwohl ihm der in letzter Zeit wegen Marcus abhanden gekommen zu sein schien, der immer der schwierige Bruder gewesen war, arrogant und ehrgeizig, entschlossen, allein zurechtzukommen, unwillig, sich in irgendeiner Form den Forderungen ihres Vaters zu beugen. Das schwarze Schaf der Familie.
Rex hätte beinah gelächelt. Jetzt, wo ihr älterer Bruder Geoffrey tot war, hatte Marcus den Titel des Grafen von Hawksmoor geerbt. Er hatte den Titel nie haben wollen, und das, obwohl ironischerweise Marcus von allen drei Delaine-Söhnen am ehesten den autoritären Charakter des Vaters geerbt hatte.
Rex’ Lächeln verschwand. Sein Bruder war immer eine machtvolle, beherrschende Gestalt gewesen. Jetzt war er auch fordernd, grüblerisch, unaufmerksam und unmöglich im Um-gang. Rex wusste, wie schwer er es hatte und dass er glaubte, sein Leben wäre vorüber.
In Wahrheit glaubte Rex, dass sein Bruder wünschte, der Unfall hätte ihn umgebracht, anstatt ihn als das zurückzulassen, was Marcus einen »hoffnungslosen Krüppel« nannte.
Rex lehnte sich nach hinten an die geschlossene Tür des Salons und versuchte, seine Kräfte zu sammeln. Er war müde. So verdammt erschöpft. Wenn er nicht damit beschäftigt war, die Hawksmoor-Ländereien zu leiten, arbeitete er auf seinen eigenen Ländereien, Teil einer kürzlich auf ihn gefallenen beträchtlichen Erbschaft von seinem Großvater mütterlicherseits. Jetzt war auch noch die Hawksmoor Schifffahrtsgesellschaft in seine Verantwortung übergegangen. Er hatte das Gefühl, als hätte er vom Morgengrauen bis zum Abend gearbeitet und immer noch nicht alles geschafft.
Und dann war da noch die ständige Sorge um Marcus. Sein Bruder ertrank in der Verzweiflung, wurde von Hoffnungslosigkeit und Niedergeschlagenheit verzehrt. Stunde um Stunde saß er einfach vor dem Fenster, starrte hinaus aufs Wasser und sehnte sich nach dem Leben, das er einst gehabt hatte. Mein Gott, wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, ihm irgendwie zu helfen.
Rex holte tief Luft, um sich Mut zu machen, und stieß sich von der Tür ab. Sich Sorgen zu machen würde nicht helfen. Genau genommen hatte er keine Zeit für Sorgen. Er hatte einfach zu viel zu tun.
Er nahm sich vor, einiges sofort in Angriff zu nehmen, als er den Gang hinunter zu seinem Arbeitszimmer eilte, wo ein Stapel Papiere auf ihn wartete. Er hörte Geräusche am Eingang, als er sich dem Foyer näherte. Es war irgendeine Art von Auseinandersetzung mit demjenigen, der das Unglück hatte, auf der anderen Seite der Tür zu stehen.
Der Butler, Milton Giles, stand fest wie ein Felsen an der Tür und war offensichtlich alles andere als erfreut.
Rex ging hin. »Was ist los, Giles, gibt es irgendein Problem?«
»Ich fürchte ja, Sir.«
»Und worin besteht das, wenn ich fragen darf?«
Als Antwort darauf öffnete der hoch gewachsene, schlanke Butler einfach die Tür. Rex hob eine Augenbraue angesichts der kleinen rothaarigen Frau, die auf den breiten Steinstufen draußen stand.
»Die Dame ist gekommen, um seine Lordschaft zu sehen. Ich habe ihr mitgeteilt, dass er keine Besucher empfängt, aber sie weigert sich zu gehen.«
Rex’ Blick glitt über die Gestalt der Frau. Sie trug ein teures Reisekleid, dessen Farbe ein wenig zu leuchtend grün war. Obwohl der Seidenstoff gut geschnitten und offensichtlich teuer war, schienen am Oberteil zu viele Rüschen und ein übertriebener Volant am Saum angenäht zu sein. Die Haube, die sie auf ihrem leuchtend kupferroten Haar trug, saß leicht schief, und irgendwie waren zu viele Blumen auf ihrer Krempe angebracht.
»Kann ich Euch helfen?«, fragte Rex und bemerkte das hübsche Gesicht und die gute Figur der Frau an der Schwelle. »Miss ...?«
»Mein Name ist Brianne Winters. Ich bin gekommen, um Kapitän Delaine zu sehen. Er ist auch der Graf von Hawksmoor. Ich glaube, dass er hier wohnt.«
Bei dem Namen wurde er sofort aufmerksam. Rex spürte, wie ein Lächeln auf seinen Lippen erschien. Er wusste, wer diese Dame war. Sein Bruder hatte ihm eine ganze Menge von ihr erzählt, bevor er zu seiner unglücklichen Reise aufgebrochen war. »Das ist allerdings richtig. Kommt doch herein, Miss Winters. Ich bin Rex Delaine, Marcus’ Bruder.«
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