Was die Nacht verheißt
lassen, doch er musste zum Haus kommen, und dazu gab es keine andere Möglichkeit.
Stattdessen kämpfte er seinen Ärger nieder, als ihn der große Mann in einen wartenden Stuhl setzte und zusammen mit einem Lakaien ins Haus trug. Er erstickte die Wut, die auszubrechen drohte, um alles und jeden in seinem Weg zu verbrühen. Stattdessen zog er sich einfach nach innen zurück und begrub seinen Schmerz und seinen Zorn in seinem Innern.
Er wurde ein anderer, ein Mann, der mit der schrecklichen Schande würde leben müssen.
Wochen vergingen, eine nach der anderen, und immer noch hatte Brandy zu keiner Entscheidung gefunden. Jetzt, wo sie ihre Freiheit hatte, stellte sie fest, dass sie wartete, als suche sie nach einem Zeichen, das ihr sagen würde, was sie tun solle.
Dieses Zeichen kam ein paar Tage später. An jenem Tag, als Brig Butler von der Mannschaft der Seehabicht durch die Tür der Schänke kam, hoch gewachsen, blond, gut aussehend. Er entdeckte sie in dem Augenblick, als er hereinkam, schritt entschlossen auf sie zu, und als Brandy ihn sah, erstarrte sie förmlich. Brig hatte Charleston an Bord der Seehabicht verlassen.
Einen einzigen wilden, schockierenden Augenblick lang dachte sie, dass Marcus zurückgekommen war. Dann fiel ihr der angespannte, besorgte Ausdruck auf Brigs Gesicht auf, und sie wusste sofort, in einem schmerzlichen Augenblick, dass es nicht so war.
»Mr. Butler.« Sie versuchte zu lächeln, aber der Ausdruck in seinen Augen hielt sie davon ab. »Ich ... ich bin überrascht, Euch hier zu sehen. Ich dachte, die Seehabicht -«
Er schüttelte nur den Kopf. »Ich bin an Bord der Schneegans, einem anderen Hawksmoor-Schiff, hierher gekommen. Die Seehabicht liegt zurzeit in England.«
»England? Ich dachte, sie wollten in den Fernen Osten.«
Brig räusperte sich, das Gesicht angespannt und düster, eindeutig voller Unbehagen. Ihr eigenes Unbehagen wuchs. »Es hat einen Sturm gegeben«, sagte er. »Einen sehr schlimmen Sturm. Die Seehabicht ist schwer beschädigt worden. Wir waren gezwungen, zum Reparieren nach London zurückzukehren.« Seine sonst so klaren, glitzernden blauen Augen schienen auf unerklärliche Weise getrübt. »Es hat einen Unfall gegeben, Miss Winters, einen sehr schlimmen Unfall.«
Brandy schluckte. Ihre Beine hatten zu zittern begonnen. »Einen Unfall?«, wiederholte sie gepresst. »Was ... was für einen Unfall?«
Brig nahm ihre Hand. »Warum setzen wir uns nicht? Es ist schon lange her, seit wir uns das letzte Mal unterhalten haben. Vielleicht könnten wir einen ruhigen Platz finden, um zu reden.«
Sie begann zu zittern. Der Ausdruck auf Brigs Gesicht machte klar, dass etwas absolut nicht in Ordnung war. »Sagt es mir, Brig. Sagt mir, was geschehen ist.«
Der blonde Mann wandte den Blick ab, holte tief Luft, um die Fassung zu bewahren. »Wir waren zwei Wochen von London entfernt, da kam ein Sturm auf, sozusagen aus dem Nichts. Wie ich schon sagte, es war ein schlimmer Sturm. Die Seeha-bicht hielt ihm stand. Wir hatten Vertrauen in Kapitän Delaine, und keiner von uns machte sich besonders viele Sorgen. Dann traf eine große Welle das Schiff, sodass es plötzlich heftig zur Seite kippte. Der Mast splitterte. Der Kapitän wurde verletzt, als der Querarm herunterkam. Und das ist der Grund, warum ich hier bin. Ich dachte, Ihr würdet das vielleicht wissen wollen.«
»Marcus... Marcus wurde verletzt?« Ihr wirbelte der Kopf, es wurde ihr eng in der Brust. Sicher hatte sie ihn missverstanden. Brig half ihr in einen Stuhl, und diesmal widersetzte sie sich nicht. Er nahm auf einem Stuhl neben ihr Platz und ergriff noch einmal ihre Hand.
»Es tut mir Leid, Brandy Er ist sehr schlimm verletzt worden, fürchte ich. Seine beiden Beine wurden gebrochen. Sein Rückgrat ist... verletzt worden.«
Die letzte Farbe schwand aus ihren Wangen. »Sein Rückgrat?«
»Ja.«
»Und er ... er hat Euch hierher geschickt, um mir das zu sagen?«
Brig schüttelte den Kopf. »Nein. Er hat keine Ahnung davon, dass ich hier bin. Ich kam, weil ich weiß, was Ihr für ihn empfindet - wir alle wussten es. Wir konnten es in Euren Augen sehen, wann immer ihr ihn angeschaut habt. Und obwohl er es sich nie hat anmerken lassen, wussten wir, wie gern er Euch hatte. Kapitän Delaine ist in Schwierigkeiten, Brandy Ich bin gekommen, weil ich dachte, Ihr würdet ihm vielleicht helfen können.«
Brandy konnte nicht sprechen. Ihre Kehle war zugeschnürt, und Tränen brannten in ihren Augen, stiegen auf und
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