Was die Toten wissen
Karmelkorn.«
»Und dann kaufst du mir dort was?«
»Was? Klar. Bei Karmelkorn oder Baskin-Robbins, wenn du willst. Ich gebe dir sogar noch fünf Dollar, wenn du versprichst, mich in Ruhe zu lassen.«
»Ganze fünf Dollar?« Heather liebte Geld, aber sie mochte es nicht ausgeben. Ihre Eltern machten sich deswegen bereits Sorgen. Sie versuchten, es ins Lächerliche zu ziehen, nannten sie die kleine Elster, stellten fest, dass sie von allem, was glänzte oder neu war, magisch angezogen wurde und es dann nach Hause in ihr Nest trug. Aber für eine Bethany gehörte sich das nicht, und Sunny wusste, dass sich ihre Eltern über Heather Gedanken machten. »Ihr Auge war zu leicht erfreut«, meinte ihr Vater düster, in Abwandlung irgendeines Verses über eine Herzogin.
»Ja, du musst also noch nicht mal an dein Erspartes ran.« Und , dachte Sunny, du gehst auch nicht an deine Blechschachtel und entdeckst, dass ich mir was von dir geliehen habe. Die fünf Dollar, die ich dir gebe, sind sowieso deine. Heather war nicht die Einzige, die sich ins Zimmer eines anderen schlich und ihre Nase in Dinge steckte, die sie nichts angingen. Sunny hatte sogar die Anordnung der Einweckgummis, die Heather um die Kiste band, ausgeknobelt.
Geschah ihr ganz recht, der alten Spionin.
Kapitel 7
Im Motelzimmer war ein Süßigkeitenautomat, nicht etwa im Flur oder in dem überdachten Übergang, nein, direkt im Zimmer. Miriam blieb noch einen Moment davor stehen, probierte die Knöpfe aus und befingerte das Wechselgeldfach wie ein
kleines Kind. Die Verpackungen der Schokoriegel waren bereits etwas ausgebleicht. Die Tatsache, dass ein Zagnut- oder Clark-Riegel fünfundsiebzig Cent kostete – weit mehr als vorne an der Rezeption oder in dem Lebensmittelladen gegenüber -, hatte wahrscheinlich dazu geführt, dass schon länger niemand mehr irgendetwas aus diesem Automaten gezogen hatte. Trotzdem, Sunny und Heather wären davon begeistert gewesen, von diesem silbernen Kasten, vollgestopft mit so vielen verbotenen Wunderdingen – klebrigen Süßigkeiten zu völlig übertriebenen Preisen. Man musste nur einmal kurz am Griff ziehen, und schon gehörten sie einem. Hätten sie jemals in einem solch schicken Motel übernachtet, an und für sich bereits ziemlich unwahrscheinlich bei Daves Vorliebe für einfachere Unterkünfte und Campingplätze, das »einzig Wahre«, wie er es nannte, das ganz nebenbei auch noch kostengünstig war, hätten die Mädchen bestimmt um Münzen für den Automaten gebettelt, während Dave über die Verschwendung gemurrt und gemault hätte. Miriam wäre schwach geworden, und er hätte ihr daraufhin Vorwürfe gemacht, weil sie nicht mit ihm an einem Strang zog, und dann wäre er den restlichen Abend beleidigt und abweisend gewesen.
Was hätte noch alles passieren können, auf dieser Fantasiereise in ein Motel, das keine fünf Meilen von ihrem Haus entfernt lag? Sie hätten ferngesehen, genau wie zu Hause, jedes der Mädchen hätte sich eine Sendung aussuchen dürfen, dann hätten sie das Gerät ausgeschaltet und bis zum Schlafengehen gelesen. Wäre ein Radio im Zimmer gewesen, hätte Dave wahrscheinlich einen Jazzsender eingestellt oder Mr. Harleys Samstagabendmusikprogramm. Sie stellte sich vor, wie sie hier Zuflucht vor einem Sturm suchen würden, einem wie Hurrikan Agnes vor drei Jahren, als nur ein paar Straßen weiter der kleine Fluss über die Ufer getreten war und alles überschwemmt hatte, sodass sie kurzzeitig nicht mehr aus der Algonquin Lane wegkamen. Damals war es ein Abenteuer für
sie gewesen, dass es keinen Strom mehr gab. Sie lasen mit Taschenlampen und lauschten den Nachrichten aus Daves batteriebetriebenem Radioapparat. Miriam war beinahe enttäuscht gewesen, als das Hochwasser zurück- und das Licht wieder anging.
Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, und Miriam fuhr zusammen, aber es war natürlich Jeff, der mit dem vollen Eiskübel zurückkam.
»Gallo«, sagte er und einen Moment lang dachte sie, es sei ein Wortspiel auf »Hallo«, aber dann fiel ihr ein, dass er den Wein meinte, den er besorgt hatte.
»Er muss noch eine Weile kalt stehen«, fügte er hinzu.
»Klar«, sagte Miriam, obwohl sie einen Trick kannte, um den Vorgang zu beschleunigen. Man stellte den Wein in den Kübel mit Eis und drehte ihn dann exakt einhundertmal im Uhrzeigersinn, et voilà – der Wein war gekühlt. Als sich Miriam einmal dabei ertappte, wie sie um zwei Uhr nachmittags den Hals einer Flasche zwischen den Händen eifrig
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