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Was die Toten wissen

Was die Toten wissen

Titel: Was die Toten wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
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Coppola, Fellini, Herzog – sie würden Arthaus-Filmfans werden.
    Was hatte sie an diesem Samstagabend noch alles versprochen? Dass sie zurückfinden würde, zu einer Art spirituellem Dasein. Nicht Daves Fünffachem Pfad, aber vielleicht zum Judentum, notfalls auch zu den Unitariern. Und sie würde Dave nicht mehr wegen des Pfads angreifen, würde ihn nicht mit der Tatsache aufziehen, dass er eine spirituelle Praktik ausübte, weil er die Leute, die ihn darin eingeführt hatten, um ihre materiellen Güter beneidete. So dankbar sie den Turners auch war, teilte sie dennoch nicht Daves übertriebene Bewunderung für diese Leute. Deren Großzügigkeit den Bethanys gegenüber hatte etwas sehr Egoistisches, so widersprüchlich das auch klingen mochte.
    Weitere Versprechen: Sie wollte eine bessere Mutter sein, immer etwas Ordentliches kochen und weniger vom Chinese Take-away und von Marino’s Pizza Service kommen lassen. Die Wäsche der Mädchen sollte fortan mit Akribie gepflegt werden. Vielleicht war es Zeit, Sunnys Zimmer neu einzurichten, um den Übergang zur Highschool nächstes Jahr würdig zu begehen? Und war Heather nicht aus der Wo die wilden Kerle wohnen -Deko ihres Zimmers herausgewachsen, unabhängig davon, wie toll sie war? Miriam hatte sie selbst entworfen, indem sie zwei Ausgaben des Buchs gekauft, den Einbandrücken auseinandergebrochen und dann die Seiten an die Wand geklebt hatte, sodass die gesamte Geschichte zu sehen war. Sie konnten zu dritt zum Flohmarkt auf dem Westview-Autokinogelände und zum Purple-Heart-Laden gehen und nach alten Möbeln Ausschau halten und sie in bunten, modischen Farben streichen. Für richtig gute Leinenwäsche gab es keinen
Ersatz, deshalb würde sie im nächsten Januar Wäsche beim Winterschlussverkauf erstehen müssen …
    All das ging Miriam an diesem Abend durch den Kopf, bis sie im Dunkeln auf dem schlecht beleuchteten Parkplatz die blaue Jeanstasche entdeckte, die wie ein Fleck aussah. Dies riss sie jäh aus ihrer Zukunftsträumerei und brachte sie unsanft ins Diesseits zurück. Sie stieß einen unterdrückten Schrei aus und ging auf dem Parkplatz in die Knie, aber der junge Polizist hielt sie zurück.
    »Bitte nicht anfassen, Ma’am. Wir sollten … Bitte, Ma’am. Wir müssen da gewisse Vorschriften einhalten.«
    Kleine Mädchen verlieren ständig irgendwas. Handtaschen, Schlüssel und Haarbänder, Jacken und Pullis, Mützen und Handschuhe. Etwas zu verlieren liegt in der Natur der Kindheit. Von dieser Tasche getrennt zu sein wäre für Heather Grund genug – dickköpfige, materielle Heather -, nicht nach Hause zu gehen und wieder und wieder den Weg danach abzusuchen, wieder und wieder. »Hast du dich schon jemals gefragt«, hatte Miriam sie nur wenige Wochen zuvor gefragt, »warum, wenn du etwas findest, es immer dort auftaucht, wo du gesucht hast?« Wie sich Heather über diese Albernheit ergötzt hatte, nachdem sie sie begriffen hatte. Die nüchterne Sunny hatte dazu nur gesagt: »Ist doch klar.«
    Miriam kniete auf dem Parkplatz und sehnte sich danach, die Tasche an sich zu reißen, als sei es ihre Tochter, aber der junge Beamte hielt sie weiterhin zurück. Es war ein Abdruck darauf, von einem Schuh, einem Reifen. Wie Heather sich darüber aufgeregt hätte. Es gab noch zwei andere Hüllen für die Handtasche, aber diese aus Jeansstoff war Heathers Lieblingstasche. Sie würden sie ersetzen und ihr keine Vorwürfe machen. Und morgen würden sie Ostereier suchen, auch wenn die Mädchen behauptet hatten, dass sie dafür zu alt seien. Das heißt, es war Sunny, die gesagt hatte, dass sie zu alt dafür sei, sie sollten sich gar nicht erst die Mühe machen, und Heather
hatte sich ihr eilig angeschlossen. Eine ganz besondere Suche mit viel Schokolade, aber auch tollen Schätzen. Miriam konnte bei High’s noch Schokoladenostereier besorgen, aber wo kriegte sie so spät am Abend noch kleine Geschenke her? Die Mall hatte noch etwa zwanzig Minuten geöffnet. Oder sie konnte in der Blauen Gitarre was von Daves Zeug aussuchen, wen interessierte es schon, wie rot die roten Zahlen waren? Sie würde Schmuck und Spielzeug und Keramikvasen auswählen, in die man Narzissen und Krokusse stecken konnte, die gerade eben ihre Köpfe aus dem Boden streckten.
    Nie wieder empfand Miriam ihr Leben so intensiv und scharf umrissen wie in diesem Augenblick. Mit jedem Tag, bei dem die Chancen schwanden, wurden auch Miriams Sinne stumpfer. Die Mädchen würden nicht unbeschadet aufgefunden

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