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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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unnötig Aufmerksamkeit erregen. Schließlich setze ich mich auf den Boden, außer Sichtweite hinter den Schubladenschränken.
    Bei meiner systematischen Lektüre bringe ich in Erfahrung, dass ein neunjähriges Mädchen am 18. Februar um 16.35 Uhr von einem Auto angefahren wurde und noch am Unfallort verstarb. Sie war nach ihrer Capoeira- AG spät aus der Schule gekommen und wollte zu ihrem Stepptanzkurs im Gemeindesaal der Methodistenkirche an der Holly Road, wo ihre Mutter auf sie wartete. Sie hatte zum ersten Mal die Erlaubnis, unbeaufsichtigt dorthin zu gehen. Ihre Freundin, die gemeinsam mit ihr die Straße überquerte, liegt mit schweren Verletzungen im Krankenhaus, die Prognose der Ärzte ist gut. Der Fahrer hielt nach dem Unfall an, beging dann aber Fahrerflucht. Später stellte er sich der Polizei und wurde in Gewahrsam genommen. Die Polizei bittet etwaige Augenzeugen des Unfalls, sich zu melden.
    Erst nach Willows Tod begannen die Lokalblätter über einen Aspekt zu berichten, den sie vom ersten Tag an in Betracht gezogen haben müssen. Der vierundfünfzigjährige Fahrer war erst kürzlich hierher zugewandert. Er wohnte auf dem Wagenplatz an der Steilküste, vor fünf Jahren als Unterkunft für die Wanderarbeiter entstanden, die hauptsächlich in dem Industriegelände hinter Eastley arbeiten: einer Tierfutterfabrik, die Fischabfälle von hier verwertet, einer Sofafabrik, einem Packcenter; genügend Unternehmen, um die industriell betriebene Landwirtschaft zu ersetzen, die unserer Stadt früher die Existenz sicherte. Ich weiß nicht mehr, was zuerst kam, die Unternehmen oder die Wanderarbeiter. Soweit ich mich erinnern kann, hat es einige schlechte Publicity wegen Animositäten zwischen verschiedenen Nationalitäten unter den Arbeitern gegeben, Koreaner gegen Osteuropäer. Ein Artikel bezieht sich auf einen Bericht aus dem Upton Centre.
    Das Boulevardblatt erscheint zweimal wöchentlich, die Gratiszeitung an jedem Wochentag. Deren Berichterstattung ist so dürftig, dass es kaum etwas zu lesen gibt, aber sie sind zeitlich näher an den Ereignissen. Zwei Tage nachdem Willow in der Uniklinik verstarb, zog eine Gruppe Jugendlicher zum Wagenplatz auf der Steilküste und warf die Fenster eines Wohnmobils mit Pflastersteinen ein. Daraus entwickelte sich ein Handgemenge zwischen den Jugendlichen und einer Gruppe Männer. Mehrere Männer zeigten sich bei den polizeilichen Befragungen kooperativ. In der darauffolgenden Nacht warf jemand in den frühen Morgenstunden mit einer Metallmülltonne das Fenster von Mr. Yeungs Imbissbude ein.
    Mr. Yeungs Imbissbude steht schon ewig an der Strandpromenade. Die Familie, die sie jetzt betreibt, stammt aus Korea, aber es sind die dritten Besitzer im Lauf der letzten Jahre, und sie haben nichts mit Mr. Yeung zu tun, der die Frittenbude vor Jahrzehnten eröffnet hat. In derselben Nacht wurde eine weitere Mülltonne gegen Ranmalis Laden geschleudert. Das Fenster wurde beschädigt, ging aber nicht zu Bruch. Daher das Wellblech.
    Das erklärt Tonis Besorgnis. Jetzt verstehe ich, wie der Rest der Welt durch die eigenen Brillengläser sieht, was meiner Tochter zugestoßen ist. In den Artikeln sieht es so aus, als wären die Angriffe geplant gewesen, was ich jedoch bezweifle. Ich habe die jungen Burschen gesehen, die sich hier herumtreiben, die gleichen Typen wie in jeder Stadt, zu alt, um sich etwas sagen zu lassen, zu jung, um aus Erfahrung klug zu werden. Wahrscheinlich waren es dieselben, die auf die Motorhaube meines Autos eingedroschen haben.
    Ich drücke mich vor dem, was ich nicht sehen will, auch wenn ich mich dem doch irgendwann stellen muss. Arglos blättere ich eine Seite um. Es ist eine Ausgabe der Wochenzeitung, die, drei Wochen nachdem ich Betty verloren habe, erschienen ist. Da, auf Seite zwei verbannt, ist dasselbe Foto meines Mädchens mit demselben angespannten Gesichtsausdruck, den sie immer auf Schulfotos trug. Und daneben, direkt daneben, er, der Mann, der meine Tochter getötet hat. Darunter die Artikelüberschrift: Fahrerflucht: Schuld der Mädchen . Er hat ein vierschrötiges Gesicht mit breiter Stirn; auf dem Schwarz-Weiß-Foto sehen seine Augen seltsam blass aus, wie gebleicht. Er trägt ein Jackett über einem dicken Pullover. Und lächelt verhalten. Er heißt Aleksandar Ahmetaj; sogleich wird er für mich zu Mr. A. Er fuhr einen schwarzen Toyota Land Cruiser mit Frontschutzbügeln.
    Ich schließe die Augen. Das Unfassbare für mich ist, dass die Fotos gleich

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