Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
groß sind.
Während ich das Gebäude verlasse, durchwühle ich meine Handtasche nach meinem Handy. Als meine Finger es finden, umschließen sie es, drehen und wenden es, tasten seine Form ab. Ich hole es heraus und stelle es an. Während ich den Parkplatz überquere, spielt es mir eine fröhliche Melodie vor. So ungeduldig bin ich, dass ich nicht einmal mein Auto aufschließe und einsteige, sondern mich auf das Mäuerchen hinter der Bücherei setze und die Kontaktliste meines Handys durchklicke. Ich wähle Jan H.s Nummer.
Ich bin auf ihre Mailbox gefasst, aber sie geht selbst ran.
»Jan«, sage ich, »hier ist Laura.«
Nach einer kaum merklichen Pause erwidert sie herzlich: »Hallo, wie geht’s dir?«
Natürlich. Arme Jan. Zum ersten Mal seit dem, was geschehen ist, rede ich mit ihr. Für sie muss es sich seltsam anhören, dass meine Stimme so munter, so normal klingt. »Schon okay«, beeile ich mich zu versichern, »das heißt, nein, ich wollte dich um einen Gefallen bitten, um etwas ganz Bestimmtes. Danke für die Karte. Für alle Karten. Tut mir leid, dass ich nicht – na ja, ich weiß ja, dass dir das nichts ausmacht; mit mir ist alles okay. Wie läuft es so bei euch?«
»Geht so«, mit einem kurzen, gekünstelten Lachen. »Ziemlich beschissen, um die Wahrheit zu sagen.« Ihre Stimme wird leise, eindringlich. »Du fehlst uns, Süße.«
»Ich weiß«, sage ich und schaue erst auf die Kappen meiner Stiefel runter, dann in den Himmel hoch. »Ihr fehlt mir auch.« Mir geht auf, dass das stimmt. Meine Kollegen fehlen mir wirklich, und damit meine ich nicht nur deshalb, weil sie zu dem Leben gehörten, das ich hatte, bevor Betty fortging. Sie waren, sind eine nette Truppe, ein gutes Team. Arbeit war das Einzige, was mich in der Zeit während der Sache mit David und Chloe aufrechterhielt. Mein Mann und seine funkelnagelneue Liebe: für Jan H., Jan M., Maurice, Andrew und Sunita waren sie nichts weiter als ein Klischee, eine geschmacklose kleine Seifenoper, etwas, worüber man mich ebenso hinwegtrösten musste wie über eine fiese Grippe. Die Untreue meines Mannes, für mich so überwältigend, so schmerzhaft, war für meine Kollegen bloß eine Geschichte, über die man prima spötteln und die man durch den Kakao ziehen konnte – doch was für eine Perspektive haben sie mir jetzt zu bieten? Die alltägliche Tragödie meiner Ehe ließ sich mit Hilfe von Klatsch und Tratsch in die Mangel nehmen, bis sie sauber platt gedrückt herauskam, doch der Verlust Bettys lässt sich nicht ohne Verletzungsgefahr eindampfen. Das werden sie so gut wissen wie ich. Aus diesem Grund habe ich sie gemieden, meide ich alle.
»Hör mal, ich hab mir überlegt zurückzukommen …« Das stimmt zwar nicht, aber in Anbetracht der Lage habe ich keine Schuldgefühle. Jan H. würde mir die Lüge nicht übel nehmen.
»Wirklich?« Ich höre das Stirnrunzeln in ihrer Stimme. »Das kommt mir früh vor.« Ich kann sie mir an ihrem Schreibtisch vorstellen, wie sie einen Kuli zwischen den Fingern hin- und herdreht, eine Angewohnheit, die wir beide gemeinsam haben.
»Ich weiß, das stimmt schon, und ich bin mir auch eigentlich überhaupt nicht sicher. Ich hab nur gerade drüber nachgedacht und mich gefragt, was du dazu meinst, wenn ich irgendwann demnächst nach Feierabend vorbeikäme? Ich weiß, das klingt ein wenig seltsam. Ich möchte bloß mal so reinschauen, um zu sehen, wie ich mich auf der Station fühlen würde. Und zwar lieber, wenn keine Leute in der Nähe sind …«
»Du meinst vorbeikommen, ins Gebäude?«
»Ja, wenn es leer ist, nur um zu sehen, was es für ein Gefühl wäre, wie zur Probe.«
»Natürlich, kein Problem. Wann denn?«
Ich gebe mich unentschieden. »Weiß auch nicht, vielleicht schon bald, damit ich übers Wochenende drüber nachdenken kann. Heute, später?«
»Heute Abend?« Sie hört sich erschreckt an. »Heute Abend ist ehrlich gesagt ungünstig, Süße. Das Team B hat ein spätes Meeting, ich meine, da würdest du über Leute stolpern. Du weißt ja, wie das Team B ist.«
Die Station für Rehabilitation und Physiotherapie liegt hinter dem Hauptgebäude. Die meisten unserer Büros schließen um fünf Uhr nachmittags.
»Und wie wär’s morgen?«
Sie scheint zu überlegen. »Morgen geht in Ordnung, am Freitagabend wirst du hier ungestört sein. Könnte höchstens ein bisschen trostlos sein.«
»Wann machst du Schluss?«
»Gott, wenn ich um sechs nicht hier raus bin, bring ich mich um.«
»Können wir uns um
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