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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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Bücherei öffnen, werde ich gleich sehen können, wer am Infoschalter sitzt.
    Eine der Bibliothekarinnen kenne ich recht gut. Naomi hat Kinder an Bettys Schule und arbeitet halbtags in der Bücherei. Ihr Jüngstes war im selben Jahrgang wie Betty, aber in einer Parallelklasse. Bislang bin ich anderen Eltern aus der Schule erfolgreich aus dem Weg gegangen. Wenn Naomi heute arbeitet, kann ich nicht reingehen – wenn ich sie also sehe, werde ich rasch einen Knopf drücken und im Lift bleiben.
    Die Aufzugtüren öffnen sich. Am Schalter sitzt eine junge Frau, die ich nicht kenne. Ich steige aus, umklammere meinen Styroporbecher. Natürlich darf man keinen Kaffee mit reinnehmen, was mir einen guten Vorwand verschafft, draußen zu warten, während ich ihn austrinke, und durch die breite Flügeltür zu spähen. Auch hinter dem Ausleihe- und Rückgabeschalter ist Naomi nicht zu sehen. Gut. Die Luft ist rein.
    Weil es keinen Abfalleimer gibt, zerquetsche ich den leeren Becher und stopfe ihn in meine Manteltasche. Als ich die Tür aufstoße, kommt ein Mann in einem elektrischen Rollstuhl angefahren, dem ich die Tür aufhalte. »Soll ich Ihnen den Aufzug holen?«, frage ich, als er durchfährt.
    »Ich schaff das schon«, blafft er zur Antwort.
    Zielstrebig gehe ich am Informationsschalter vorbei. Rechts davon liegt die Kinderbuchabteilung, wo ich in den letzten paar Jahren Stunden um Stunden zugebracht habe. Die Abteilung, die ich ansteuere, kommt dahinter, gleich nach den Nachschlagewerken.
    Die Bücherei bewahrt zwar keine alten Ausgaben der überregionalen Zeitungen auf, aber von allen drei Lokalblättern: die großformatige Wochenzeitung für die ganze Region, das damit konkurrierende kleinformatige Boulevardblatt und eine Gratiszeitung unserer Stadt, die, von einigen wenigen Nachrichten auf den Seiten eins und drei abgesehen, hauptsächlich Anzeigen örtlicher Läden und Restaurants abdruckt. Nur die Wochenzeitung gibt es online, aber selbst wenn alle drei im Netz stünden, hätte ich doch die gedruckten Ausgaben sehen wollen. Ich will das Layout, die Fotos, Spaltenbreite und Schlagzeilengröße. Was Betty zugestoßen ist, war das Ende meiner Welt, aber die Welt endet nicht, sondern geht weiter zur Schule oder zur Arbeit, isst, schläft, sieht fern. Ich will wissen, was das Ende meiner Welt dem Rest der Welt bedeutet. Dazu bin ich jetzt bereit.
    Die Zeitungen sind auf altmodische Art archiviert, in breiten Holzschüben und in umgekehrter Datumsreihenfolge, die neueste Ausgabe obenauf. Ich beeile mich, weil ich weiß, dass ich nicht weitermachen kann, wenn ich erst eine Denkpause einlege. Ich ziehe die Schublade der großen Zeitung auf. Zuletzt wurde die Ausgabe voriger Woche archiviert – die von dieser Woche wird irgendwo auf einem Tisch liegen. In der Schlagzeile geht es um Pläne, am Stadtrand eine neue weiterführende Schule zu errichten. Ich hebe die Zeitungen nacheinander an, wandere in der Zeit zurück. Bei diesem Vorgehen ist der erste Blick auf mein Mädchen, den ich erhasche – und davon stockt mir der Atem –, eine kleine Überschrift in der unteren rechten Ecke der Titelseite: Stadtrat überprüft die Verkehrssicherheit. Ich weiß, dass sich das auf vorherige Artikel über Willow und Betty bezieht, weil mir im ersten Satz die Formulierung Doppeltragödie auffällt.
    Während ich mich von vorne nach hinten durchackere, breiten sich die Mädchen aus und besetzen die Titelseiten. Sie nehmen an Wichtigkeit zu. Ich passiere Zweites Opfer verstorben . Willow erwacht zu neuem Leben. Ich überblättere Fahrerflucht: Mann verhaftet – darauf werde ich später zurückkommen –, bis ich den Tag erreiche, an dem die Nachricht hereinkam. Da ist meine Tochter. Es ist ein großes Schulfoto, nicht das allerneueste. Sie müssen es von David bekommen haben. Meine Augen füllen sich mit Tränen, ich sehe nur noch verschwommen.
    Ich brauche ein oder zwei Atemzüge, bis ich die Zeitungen, wieder eine nach der anderen, herausheben kann. Das halbe Dutzend einschlägiger Ausgaben ziehe ich heraus und lege sie oben auf den Schubladenschrank. Dann suche ich in den Schüben nach den anderen Zeitungen.
    Als ich alle ausgesucht habe, die ich brauche, spähe ich vorsichtig um die Ecke der Abteilung. Im offenen Bereich in der Mitte der Bücherei sind Stühle um einige Tische gruppiert, doch das ist eine viel zu einsehbare Bühne. Ich könnte einen Schlüssel zu einer der drei Lesekabinen an den Fenstern verlangen, würde damit aber

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