Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
Vom Netzwerk:
sechs vorne treffen? Würdest du mir die Schlüssel überlassen? Wenn du möchtest, kann ich sie dir später vorbeibringen. Und wäre es vielleicht möglich, dass du zu keinem was davon sagst? Es kommt mir bloß so verrückt vor.«
    »Du kannst sie beim Pförtner abgeben, wenn du willst. Laura, glaubst du wirklich, dass es so am besten ist? Furchtbar viele Leute hier würden dich gern ganz fest drücken, wenn du wieder zur Tür hereinkommst.«
    Was das angeht, kann ich vollkommen ehrlich sein. »Ich weiß. Ich muss nur vorher noch ein wenig zu mir selbst finden.«
    »Ist gut.«
    Während ich mein Auto aufschließe, denke ich, dass ich mir jetzt meiner Macht bewusst werde: Wie mein Leid mir einen Vorteil über andere verschafft, wie ihr Mitleid sie mir ausliefert.
    Auf dem Heimweg nehme ich die Strandpromenade. Ich will sehen, ob Mr. Yeung’s ihr Fenster repariert haben – so ist es, und geöffnet haben sie offenbar auch wieder. Kurz darauf entdecke ich eine Lücke vor einer Parkuhr an der Strandseite der Straße. Plötzlich habe ich ein Bedürfnis nach frischer Luft. Unbeholfen parke ich ein und manövriere das Auto dann ausgiebig vor und zurück. Ich muss herumlaufen, um mein Wissen verarbeiten zu können, als würde mir die rein mechanische Bewegung meiner Beinmuskeln gestatten, nicht nur an die Informationen, die ich besitze, sondern auch weiter vorauszudenken, zu den Informationen hin, die ich noch nicht habe, damit ich die beiden miteinander verknüpfen kann. Der Strand wurde meine bevorzugte Gegend für Spaziergänge, nachdem David mir ein paar pikante Einzelheiten über sich und Chloe verraten hatte. Auf die Steilküste gehe ich nicht mehr.
    Ich schließe das Auto ab und steige die Treppe hinunter, stolpere ein wenig auf dem Kies. Wir haben etwas teefarbenen Sonnenschein. Er lässt den Strand in Aprikosentönen leuchten, die nassen Kieselsteine weich aussehen, verleiht den langsam anbrandenden Wellen etwas Sanftmütiges. Für diese Tageszeit ist viel los: Leute mit Hunden, Arbeitslose, Rentner – offenbar nutzt jeder die Gelegenheit, sich davon zu überzeugen, dass der Winter auf dem Rückzug ist. Ich stiefele und stolpere über den unebenen Boden, blicke kaum aufs Meer, sondern unverwandt zum anderen Ende der Strandpromenade. Dort fällt der Strand tief ab – um wieder nach oben auf Straßenhöhe zu gelangen, muss man eine lange Steintreppe mit hohen Stufen und eisernem Geländer nehmen. Ich bleibe kurz stehen und überlege, ob ich über den Strand zurückgehen oder hinaufklettern soll. Mir ist kalt. Ich gehe zur Steintreppe.
    Auf halbem Weg die Treppe rauf halte ich an, um in meiner Tasche nach einem Taschentuch zu wühlen, derselben Tasche, in die ich vor der Bücherei meinen Kaffeebecher gesteckt habe. Als ich das Papiertaschentuch herausziehe, entwischen Styroporschnipsel und werden vom Wind erfasst. Sie sehen wie Schnee aus. Ich beobachte, wie die Schnipsel in weitem Bogen aufwärts fliegen, ehe sie auf den Strand hinabsegeln. Weiter hinten, nahe am Wassersaum, ist eine vierköpfige Familie: Vater und Mutter, ein kleiner Junge und ein Baby. Der Vater hat das Baby auf dem Arm, und der Kleine hebt Steine auf, um sie dem Geschwisterchen zu zeigen, als wollte er, dass der Winzling einen nimmt und ins Meer wirft. Die Mutter lacht. Der Vater nimmt dem Jungen den Stein ab und reicht ihr das Baby, ehe er weit mit dem Arm ausholt und so kräftig wirft wie ein Profi-Kricketspieler. Der Kleine hopst vor Vergnügen, mit offenem Mund, stolpert dann auf den Kieseln und landet auf dem Po. Mutter und Vater bücken sich gleichzeitig, um ihm aufzuhelfen. Der kleine Junge ist mein Sohn Rees, der am Strand spielt, glücklich mit seiner Familie.
    Als ich nach Hause komme, mache ich mir mehr Kaffee, obwohl ich mich noch überdreht und wie ausgehöhlt vom letzten fühle. Kaffee war in den vergangenen Wochen mein Grundnahrungsmittel – hin und wieder nehme ich eine Scheibe Brot zu mir. Wenn ich mich richtig stark fühle, wage ich mich an eine Heiße Tasse. Mir kommt mein Appetitverlust so unwichtig vor, dass ich mich wundere, warum die Leute mich andauernd danach fragen. Ich meide das Essen nicht. Ich nehme es nur nicht zur Kenntnis. Zum Beispiel mache ich mir jetzt einen Toast mit Orangenmarmelade, lasse ihn dann auf dem Teller auf der Küchenarbeitsplatte stehen, nicht absichtlich, es kommt mir nur nicht mehr wichtig vor. Als ich die Küche mit dem Kaffee verlassen will, fällt mir der Toast ein, ich beiße einmal ab und

Weitere Kostenlose Bücher