Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
eingesteckt hatte. Sie entdeckte es auf dem großen Esstisch, steckte es ein und verließ das Haus.
Als sie zur Garage ging, hörte sie zwei Motorräder die Straße heraufdonnern. Schon am Geräusch erkannte sie, dass eine der beiden Maschinen Tim Sousa gehörte. Der Krach war ohrenbetäubend. Er parkte in der Einfahrt zum Cottage, stellte den röhrenden Motor aus und nahm den Helm ab. Seine schwarzen Locken war vom Helm zerstrubbelt. Der zweite Fahrer blieb im Hintergrund auf seiner Maschine sitzen, auch er stellte den Motor aus. Er winkte kurz zu Emily herüber. Sie erkannte ihn. Es war Tims Freund Shaun Flair, der gut aussehende Surflehrer.
Emily ging ihrem Mitarbeiter entgegen.
»Guten Morgen, Tim.«
Er strahlte sie an. »Morgen. Ich wollte nur kurz sehen, ob es Ihnen wieder gut geht, bevor ich zum Laden fahre.«
Gerührt über so viel Anteilnahme, legte Emily ihre Hand auf den Arm seiner Lederjacke und streichelte darüber. »Das ist lieb von dir. Alles in Ordnung.«
»Unten an der Tankstelle haben sie von nichts anderem geredet als von diesem schrecklichen Mord«, meinte er kopfschüttelnd, während er abstieg. Er war groß und schlaksig. Emily hatte ein schlechtes Gewissen, weil er ihretwegen gestern bis abends um sieben im Laden bleiben musste. Eigentlich lautete ihre Abmachung, dass er parallel zu seiner Ausbildung als Teehändler nachmittags frei hatte, um über das Internet einen Fernkurs als Importkaufmann zu absolvieren. Sie bewunderte seinen Fleiß.
»Tut mir auch leid, dass du gestern erst so spät aus dem Laden gekommen bist«, sagte sie entschuldigend.
»Macht doch nichts«, meinte Tim. Er öffnete den Reißverschluss seiner Lederjacke und holte einen prall gefüllten Umschlag hervor. »Hier, die Post von gestern. Die Kopien der neuen Bestellungen sind auch mit drin.«
Emily nahm ihn entgegen. »Danke. Gab es irgendwas Besonderes?«
»Nein … Doch! Mr. Rodney hat endlich seinen Sencha-Tee abgeholt, und die gestylten neuen Kannen aus New York sind geliefert worden. Viereckig, in Rot und Gelb. Sehen super aus. Zwei davon konnte ich gleich verkaufen.«
»Glückwunsch, Timmi! Wollt ihr beiden noch schnell einen Espresso trinken?«
Trotz ihrer Liebe zum Tee mochten Tim und sie auch starken Kaffee, was viele Kunden erstaunte.
»Keine Zeit. Ich muss gleich noch schnell meinen neuen Squash-Schläger abholen.«
Emily wusste, dass Tim sehr sportlich war. Trotz seiner achtzehn Jahre wirkte er immer noch wie ein großer Junge. Vor zwei Jahren hatte sie ihm einen Job angeboten, damit er nicht unter die Räder kam. Er war ein einzelgängerischer Rebell gewesen, aus ärmlichen Verhältnissen, der immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Nur Emily und er wussten das, und sie hatten beschlossen, es für sich zu behalten. Inzwischen war aus ihm ein zuverlässiger Assistent geworden, auf den Emily sich blind verlassen konnte. Das gute Aussehen hatte er seinem portugiesischen Vater zu verdanken, von dem er auch die fröhliche, jungenhafte Art geerbt hatte. Alle mochten ihn, vor allem die Mädchen.
Er zog den Reißverschluss seiner Lederjacke wieder zu und fragte vorsichtig: »Weiß man schon mehr über Debbie Farrow? Ich meine, wie es passiert ist und so …«
Emily schüttelte den Kopf. »Nein, und das wird sicher auch noch dauern bis nach der Obduktion. Hast du sie denn gut gekannt?«
»Nur aus dem Laden. Und ein- oder zweimal habe ich sie auf einem Fest gesehen. Sah ziemlich gut aus.«
Auch eine Art von Trauer, dachte Emily bitter. Aber wie sollte ein Achtzehnjähriger auch sonst damit umgehen, wenn die Tote nicht gerade seine Freundin war?
»Was wurde denn so geredet über sie?«
»Dass sie unheimlich viel Pech hatte in letzter Zeit. Hat man ja auch gesehen, wenn sie immer so traurig in den Laden kam.«
»Weißt du, ob sie einen festen Freund hatte?«
Tim zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Das letzte Mal, dass ich sie getroffen habe … vor zwei Wochen auf dem Rennbahnfest … da saß sie an einem Tisch mit den Jockeys.«
Emilys Interesse war geweckt. »Hast du zufällig mitbekommen, ob sie auch Frank Guiton kannte, diesen Pferdezüchter …?«
»Frankie? Na klar kannten die sich! Einmal, irgendwann sonntags, sind Debbie und er in seinem roten Cabrio bei mir in der Straße rumgerast wie die Verrückten. Franks Cousin ist nämlich mein Nachbar.«
Erstaunt sagte Emily: »Tatsächlich? Wusstest du auch, dass man Frank Guiton gestern wegen irgendeiner Pferdegeschichte
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