Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
ja nicht aktiv gewesen sein … Vielleicht haben Sie es nur geduldet. Oder Sie wissen, wer es war, und möchten es nicht sagen.«
Im ersten Augenblick schien es, als wollte Frank Guiton sich um eine Antwort drücken, sodass Willingham bereits angespannt die Augenbrauen hob. Doch dann kam ein Geständnis, mit dem der Richter ganz und gar nicht gerechnet hatte.
»Ich kann jetzt zwar schlecht meine Finger heben«, sagte Guiton, »aber ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, dass es genau so war, wie ich es gesagt habe. Als ich morgens in den Stall kam und feststellte, das mein wertvollstes Pferd verschwunden ist, dachte ich, jetzt ist alles vorbei, davon erholt sich die Zucht nicht mehr. Und bis heute habe ich keine Ahnung, wer mir das angetan hat … Aber ich kann Ihnen etwas anderes gestehen. Es wird Sie schockieren, Richter, aber …« Über Guitons Gesicht huschte der Hauch eines ironischen Lächelns. »Nachdem ich den ersten Schreck hinter mir hatte, habe ich mich ein paar verrückte Stunden lang über den Diebstahl gefreut. Plötzlich war ich ja einen Teil meiner Bankschulden los. Die Stute war mit dreihunderttausend Pfund versichert. Sie würde mir zwar in der Zucht gewaltig fehlen, aber Sie wissen ja, dass ich noch vier andere sehr starke Stuten habe. Na ja, und dann sind plötzlich zwei Zeugen aufgetaucht, die gesehen haben wollen, dass ich selbst den Transporter mit dem Pferd in der Nacht weggefahren habe. Und meine heimliche Freude hatte ein Ende.«
Guiton sah den Richter beinahe herausfordernd an. »War das ehrlich genug?«
Willingham, der bisher keine Miene verzogen hatte, knöpfte langsam den obersten Knopf seines Hemdes auf. Fast schien es, als bräuchte er Zeit, um Guitons Geständnis moralisch zu bewerten. Schließlich sagte er voller Bewunderung: »À la bonheur! Mit so viel Ehrlichkeit hatte ich nicht gerechnet. Ab jetzt haben Sie mein vollstes Vertrauen, Frank, das sollen Sie wissen. Nur Lügner betonen immer, dass sie die Wahrheit sagen.«
»Danke, Richter. Schade, dass Sie kein Anwalt sind.«
»Sie haben doch einen.«
»Ich werde mich von ihm trennen. Er hat eine ganze Menge falsch gemacht, während ich im Gefängnis saß.«
Willingham spitzte nachdenklich die Lippen. Dann sagte er: »Mal sehen, was ich für Sie tun kann. Mir kommt da schon eine Idee …«
Ein leises Klopfen an der Zimmertür unterbrach ihr Gespräch. Langsam wurde die Tür aufgedrückt, und Sandra Querée trat ein, mit zaghaftem Blick in Richtung Krankenbett. Als sie Richter Willingham entdeckte, blieb sie überrascht stehen. »Oh, Entschuldigung, ich möchte nicht stören. Ich warte draußen.«
Sie wollte schon wieder gehen, doch Willinghams Stimme rief sie zurück.
»Nein, nein, bleiben Sie! Sie sind doch Miss Querée von der Polizeidienststelle St. Aubin, nicht?«
»Ja, Sir«, sagte Sandra. Sie war überrascht, dass er sie noch kannte. Es war mehr als vier Monate her, dass sie in einem Gerichtsprozess als Zeugin hatte aussagen müssen.
»Eine Minute. Ich bin gerade dabei, zu verschwinden«, sagte Willingham.
Geduldig wartete sie an der Tür, bis Willingham so weit war. Dabei ließ sie so unauffällig wie möglich ihren Blick zu Frank Guiton wandern. Er sah mitleiderregend aus, wie er da in seinem Krankenbett lag, blass und unrasiert. Sie nahm sich fest vor, ihre Fragen behutsam zu stellen.
Willingham stand auf und warf sich sein Jackett locker über die Schulter. Sandra war überrascht, wie entspannt und drahtig der Richter heute wirkte.
»Also dann, Frank, bleiben Sie positiv! Ich melde mich wieder. Wahrscheinlich schon ziemlich bald.«
»Schön, dass Sie hier waren«, sagte Guiton.
Der Richter ging zur Tür, blieb aber noch einmal stehen, die Hand auf der Klinke, und wandte sich an Sandra. Dabei wirkte er beinahe übermütig, wie jemand, der sich auf irgendetwas freut.
»Miss Querée, walten Sie Ihres Amtes.« Mit einem Nicken ging er hinaus.
Während draußen auf dem Flur Willinghams Schritte immer leiser wurden, ging Sandra zu Frank Guiton. Lächelnd sah sie ihn an, nahm auf dem Stuhl Platz, auf dem eben noch Willingham gesessen hatte, und sagte schlicht: »Hallo.«
Er schien irritiert zu sein. »Hallo … Habe ich schon wieder Ärger?«
»Nein, keine Sorge. Ich bin nur hier, um ein paar restliche Fragen zu klären … Wie geht es Ihnen?«
»Na ja, so ähnlich fühlt man sich wahrscheinlich nach einem Rodeo. Aber ich lebe noch, das ist schließlich auch was.«
»Der Notarzt hat uns gesagt, wenn
Weitere Kostenlose Bücher