Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
herunter, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich wieder an die Wand. Es war ihm anzumerken, dass er eigentlich gerne weiter diskutiert hätte.
Conway fuhr fort: »Also, dann fragen wir uns doch mal, warum Guiton zusammengeschlagen worden sein könnte. War es Rache? Gibt es vielleicht einen Komplizen, der in den fingierten Pferdediebstahl verwickelt war und der sauer ist auf Guiton?«
Mit angehobenen Augenbrauen schaute er in die Runde.
Als Einzige im Raum versuchte Sandra, eine andere Erklärung zu finden.
»Und wenn Mr. Guiton die Wahrheit sagt und er wirklich keine Ahnung hat, wer ihm das alles antut?«
Verblüfft lehnte Conway sich zurück. »Sie meinen, der große Unbekannte? Irgendwas in der Art?«
»Ja, immerhin ist Guiton ein erfolgreicher Züchter. Das passt bestimmt nicht jedem.«
Conway nahm Guitons Akte in die Hand und blätterte schweigend darin herum.
Vor ihm auf der Schreibtischplatte ruhte wie ein Szepter der Amtsstab des Chef de Police. Der Stab war das symbolische Zeichen der Macht für die Honorary Police, reich verziert, unter anderem mit dem roten Wappen von Jersey. Am oberen Ende rundete ihn eine goldene Krone ab, als Zeichen der Verbundenheit mit dem englischen Königshaus, denn offiziell war Königin Elisabeth II. noch immer Herzogin der Normandie und von Jersey, auch wenn die Insel sich schon seit vielen Jahrhunderten selbst regierte.
Durch das offene Fenster drang vom Hafen das tuckernde Geräusch eines Bootsmotors in Conways Büro.
Jeder im Raum horchte auf, denn dieser marode Motor konnte nur einem Mann gehören.
Leo Harkins sprach aus, woran alle sofort dachten. »Hört Ihr, Sebastian Picard fährt wieder raus! Heute Abend gibt’s günstigen Seebarsch.«
»Wir haben jetzt andere Sorgen«, sagte Conway gewollt streng, gerade weil er selbst Picards bester Kunde war. »Bleiben wir bei der Sache.« Kopfschüttelnd legte er die Akte wieder auf den Schreibtisch. »Ich weiß nicht … Guiton hat hohe Schulden. Wer sollte neidisch sein auf ihn?« Er wandte sich an Ellwyn. »Wie sehen Sie das?«
»Genauso. Ich glaube eher, dass alle auf dem Gestüt unter einer Decke stecken.«
Wenigstens hatte Frank Guiton den brutalen Angriff überlebt, dachte Sandra beruhigt. Und das grenzte angesichts der harten Schläge fast schon an ein Wunder. Seine Haushälterin hatte ihn gefunden. Jetzt lag er im Krankenhaus. Er hatte innere Blutungen, eine Leberschwellung, Kopfwunden und ein paar gebrochene Knochen. Aber er lebte.
Sie ertappte sich dabei, wie sie fast sehnsuchtsvoll an sein markantes, jungenhaftes Gesicht und die hellen, klaren Augen darin denken musste. Seit sie ihm am Flughafen gegenübergestanden hatte, war das Bild nicht mehr aus ihrem Kopf gewichen.
Jetzt mischte sich zum ersten Mal Leo Harkins in die Diskussion ein. »Ich sag’s ehrlich, ich finde, wir sollten den Fall einfach auf sich beruhen lassen. Das Pferd ist wieder da, und Guiton hat seine Prügel bekommen. Das ist doch schon ’ne ganze Menge. Haben wir nicht genügend anderes zu tun?«
Jedem war klar, dass Conway genauso dachte. Er war ein Pragmatiker. Trotzdem musste er irgendwie die Form wahren und durfte Harkins nicht einfach Recht geben. Sein Ton wurde wieder streng. »Bitte, Leo, ja?! Wir geben nicht einfach so auf! Sogar Richter Willingham hat schon angerufen und sich nach dem Stand der Dinge erkundigt. Also, irgendeiner von uns sollte auf jeden Fall noch mal mit Guiton reden. Sonst heißt es wieder, wir sind nachlässig.«
Er blickte kurz in die Runde. »Wer fährt zu ihm ins Krankenhaus?«
Viel schneller, als sie eigentlich wollte, hob Sandra Querée den Arm. »Ich könnte das machen.« Sie fühlte, wie sie errötete. Nur dadurch, dass sie sich schnell bückte, um ihre Tasche vom Boden aufzuheben, konnte sie es vor den anderen verbergen.
Die beiden Kollegen waren froh, dass sie um die lästige Fahrt ins Krankenhaus herumkamen. Auch Conway fiel ein Stein vom Herzen.
Noch während Ellwyn und Harkins sich rasch aus dem Büro verdrückten, gab er Sandra die Akte Guiton und verabschiedete sie auffallend zügig. »Machen Sie sich am besten gleich auf den Weg.«
Sandra wusste genau, warum er so in Eile war. Wie alle anderen Chef de Police auf der Insel hatte er heute Nachmittag die große Ehre, zu einem Grillfest beim Bailiff eingeladen zu sein, der als Präsident von Jersey auch Stellvertreter der Krone war. Und Conway wollte pünktlich dort sein.
Als sie schon in der Tür stand, rief er sie noch
Weitere Kostenlose Bücher