Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
sie gedacht hatte. Bei jedem Atemzug krochen ihr Staubflusen in die Nase. Constance betete inständig, dass sie jetzt nicht niesen musste.
Sie hatte sich gerade rechtzeitig versteckt. Mit einem brutalen Ruck wurde die Tür aufgerissen, dann trat der Eindringling mit schweren Schritten ins Zimmer. Seine großen Turnschuhe drückten sich nur wenige Zentimeter neben ihren zitternden Fingern in den grauen Teppich. Zum Glück machte er kein Licht, sodass nur der Schein der Flurlampe ins Zimmer fiel.
Der Atem des Mannes ging schwer, als käme er aus einem gewaltigen Blasebalg. Constance versuchte verzweifelt, sein Gesicht zu erkennen, doch ihr Blick reichte nur bis zu seiner Hose. Sie war dunkelgrün, gegen Nässe imprägniert, wie sie von Jägern getragen wurde. Entsetzt bemerkte sie, dass am linken Hosenbein getrocknetes Blut klebte. In ihrer Panik glaubte sie sogar, das Blut riechen zu können, aber das bildete sie sich wahrscheinlich nur ein.
Der Mann hatte offenbar genug gesehen, denn er wandte sich um und ging zur Tür. Constance betete, dass er auch ja die Tür wieder zumachte, sonst hätte sie noch länger unter dem Bett ausharren müssen.
Die Tür schloss sich.
Constance atmete auf. Jetzt musste alles schnell gehen.
Sie kroch so leise wie möglich aus ihrem Versteck hervor, stand auf, ging auf Zehenspitzen zur Tür und presste ihr Ohr daran, um zu hören, was der Fremde jetzt tat. Wenn sie die Geräusche richtig interpretierte, war er gerade dabei, im Wohnzimmer die Schubladen der Schränke aufzuziehen. Dann hörte sie Papier rascheln. Er schien irgendetwas zu suchen.
Ihr blieb nicht viel Zeit.
Sie schnappte sich ihren Pulli und ihre Jeans, überprüfte, ob ihr Handy in der Tasche steckte – Gott sei Dank, ja! –, öffnete in Zeitlupe das Fenster, warf ihre Sachen nach draußen ins Gras und kletterte hinterher.
In Windeseile zog sie sich an. Dann wählte sie den Notruf der Polizei und meldete flüsternd den Einbruch.
Sie versteckte sich in der Ecke hinter dem Gartenhaus. Von dort aus hatte sie einen Teil der Straße und den Hauseingang im Blick. Noch war der Mann in der Wohnung, und sie hoffte, dass er dort auch blieb, bis die Polizei eintraf.
Plötzlich hatte Constance das Bedürfnis, auch Emily zu informieren. Sie glaubte fest daran, dass der Einbrecher etwas mit Debbies Tod zu tun hatte. Vielleicht war er sogar ihr Mörder. Warum sonst sollte er in Debbies Sachen herumwühlen?
Angespannt kauerte sie auf dem feuchten, matschigen Boden zwischen Gartenhaus und Ligusterhecke und wählte Emilys Nummer. Es dauerte eine Ewigkeit, bis Emily sich schlaftrunken meldete.
»Ja?«
»Ich bin’s. Ich kann nur flüstern«, hauchte Constance ins Handy. »Ein Einbrecher ist im Haus, die Polizei ist schon unterwegs …«
»Oh Gott! Bist du noch in der Wohnung?«
»Nein, im Garten.«
Emily erschrak. »Bist du verrückt? Du musst sofort verschwinden!«
»Nein, ich will sehen, wer es ist«, flüsterte Constance. »Emily, er durchsucht Debbies Sachen! Das ist kein gewöhnlicher Einbrecher.«
»Überlass das der Polizei! Bitte verschwinde, Constance, versprich es mir!«
Doch Constance hörte gar nicht mehr richtig hin, denn der Augenblick, auf den sie gewartet hatte, war gekommen. Ein dunkelhaariger, kräftiger Mann entfernte sich mit schnellen Schritten vom Hauseingang, ging über die Straße und verschwand in Richtung der nächsten Kreuzung.
»Er ist gerade aus dem Haus gekommen«, sagte Constance aufgeregt, während sie ihre Deckung neben der Hecke aufgab und losrannte. »Ich hab ihn schon mal gesehen, aber sein Name fällt mir nicht mehr ein! Das Fahrrad … Ich schnappe mir jetzt das Fahrrad und versuche, wenigstens noch die Autonummer zu erkennen …«
»Ich komme zu dir!«, rief Emily noch.
Constance reagierte nicht mehr und beendete das Gespräch. Als sie das Handy wieder in ihre Hosentasche stopfen wollte, rutschte es ihr vor lauter Aufregung aus der Hand und fiel ins Gras. Nein, sie hatte jetzt keine Zeit, danach zu suchen.
Von dem Mann war nichts mehr zu sehen. Sie stieg aufs Fahrrad und fuhr los. Wahrscheinlich hatte er seinen Wagen auf dem kaum beleuchteten kleinen Parkplatz in der Parallelstraße stehen gelassen.
Sie hatte recht. Kaum hatte sie die Straße erreicht, sah sie, wie ein dunkler Pick-up sich vom Parkplatz löste. Die Scheinwerfer leuchteten auf, dann bog er in die schmale Nebenstraße, die den Hügel hinauf nach St. Aubin führte. Obwohl sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, den
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