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Was es heißt, in den Krieg zu ziehen

Was es heißt, in den Krieg zu ziehen

Titel: Was es heißt, in den Krieg zu ziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Marlantes
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Verteidigungsanlagen des Feindes zu bombardieren. Wegen eines dummen Fehlers luden die Jets ihre Bomben jedoch auf dem falschen Hügel ab. Ich fluchte mir über das FAC -Netz [66] des Bataillons die Seele aus dem Leib, aber mir wurde gesagt, ich sei am falschen Ort und solle den Kanal verlassen, da ich unmöglich sehen könne, was vorgehe.
    Einen Hang hinauf gegen Bunker anzustürmen, ist schwer genug, es ohne Luftvorbereitung tun zu müssen, ging eindeutig an die Nerven. Ein großer Wert der Luftvorbereitung besteht im Anschub für die Moral der angreifenden Artillerie. Jetzt kamen wir aus dem Dschungel auf die frei einsehbare Fläche unter den Bunkern und wurden sofort von den unberührten Maschinengewehrstellungen unter Feuer genommen. Alle versuchten, hinter Baumstämmen und in Senken Deckung zu finden. Der Angriff kam ins Stocken. Ein Junge namens Niemi war vorausgesprintet und verschwand irgendwo vor uns. Wir nahmen an, er sei getroffen worden und tot.
    Ich kann tatsächlich nicht sagen, wie lange wir dort so auf der offenen Fläche lagen und zerrieben wurden. Aber ich wusste, schon in ein paar Minuten würden uns die NVA -Raketen und -Mörser finden.
    Wieder schien ich aus mir herauszutreten. Ich weiß noch, wie ich die Szenerie von einem Ort hoch über uns betrachtete. Ich sah den Rauch des Napalms nutzlos von einem anderen Hügel aufsteigen. Die bestens aufeinander abgestimmten Maschinengewehre hielten uns am Boden. Die NVA -Soldaten waren Profis. Wir lagen in einer unregelmäßigen Linie hinter umgestürzten Bäumen und in Granattrichtern. Ich weiß noch genau, dass ich mich an die Worte eines Lehrers in der Grundausbildung erinnerte, eines beliebten Majors mit feuerroten Haaren, der Taktik unterrichtete und einer Gruppe von uns erklärte, wodurch und womit sich ein Zugführer sein Geld verdiente. Da oben über uns in unserer verfahrenen Situation schwebend, wusste ich, dass die Zeit gekommen war. Wenn ich jetzt nicht aufstand und die Führung übernahm, würden wir ausgelöscht werden.
    Ich kehrte als der heldenhafte Zugführer in meinen Körper zurück und ließ den Rest meines alltäglichen Ichs oben in den Wolken hinter mir. Das war der Moment, in dem ich meinen verwundeten Maschinengewehrschützen anschrie, zu meinem Baumstamm hochgekrochen zu kommen und das Maschinengewehrduell zu beginnen, das die Mannschaft eines der so gut aufeinander abgestimmten feindlichen Maschinengewehre beschäftigt halten würde. Anschließend holte ich einen M 79 -Mann zu mir und ließ ihn Granaten auf den Beobachtungsschlitz des angrenzenden Bunkers feuern, der uns ebenfalls verrückt machte. Der Bunker befand sich direkt über uns. Dann stand ich auf.
    Ich habe an dem Tag eine Menge Dinge gemacht, die ebenfalls in das Empfehlungsschreiben eingingen, aber worauf ich vor allem stolz bin, ist, dass ich einfach, inmitten all des herumfliegenden Metalls, aufgestanden und ganz allein den Hang hinaufgelaufen bin.
    Ich bin stolz darauf, weil ich es aus den richtigen Gründen getan habe. Im Fernsehen kam einmal ein Gespräch zwischen Bill Moyers und Joseph Campbell über die Heldenreise, in dem Campbell sagte: »Es gibt einige Heldenreisen, in die man geworfen wird.« Bilder aus Vietnam wurden eingeblendet, Hubschrauber, ein junger Schwarzer, der sich unter Qualen voranschleppte. Dann Anti-Kriegs-Demonstranten, und Moyers fragte Campbell: »Hat Heldentum kein moralisches Ziel?«
    Campbell antwortete: »Das moralische Ziel ist es, Menschen zu retten, eine Person, eine Idee. Der Held opfert sich für etwas. Das ist die Moral. Jetzt können Sie von einer anderen Position heraus sagen,
das
war es nicht wert oder sogar absolut falsch. Es ist das Urteil einer anderen Seite, das den Heroismus der Tat nicht aufhebt. Absolut nicht.«
    Ich war nicht heldenhafter als bei meiner Rettungsaktion für Utter. Beide Male geriet ich schwer unter Feuer, und beide Male ging es darum, Menschen zu retten, in diesem Fall meinen kleinen Stamm, der sterbend auf diesem Hang lag. Aber meine Motivation war eine andere, und weil es so war, bin ich weit glücklicher mit dieser Tat.
    Diesmal machte ich keine heldenhaften Gesten und schlauen Sprüche. Ich rannte einfach den steilen Hang hinauf, in einem Zickzack-Kurs auf den Bunker zu, und hoffte, dass mich der M 79 -Mann nicht in den Rücken traf. Es ist schwer, bergauf im Zickzack zu laufen, wenn man mit Munition und Granaten beladen ist. Mein ganzes Denken konzentrierte sich auf zwei Dinge, den Bunker über

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