Was es heißt, in den Krieg zu ziehen
Danke.« Zu Clifton sagte ich: »Sie haben mich auf meine erste Patrouille mitgenommen, haben das Maschinengewehr aufgestellt und sind gestorben. Ich danke Ihnen, Lehrer.« Was ich von Clifton gelernt hatte, rettete wahrscheinlich viele Leben, noch lange nach seinem Tod. Ich sagte Isle, wie leid es mir tat, dass ich ihn an jenem Tag so angetrieben hatte, um die sich zurückziehenden NVA -Soldaten zu töten. Er krähte zurück: »Zum Teufel, Lieutenant, ich war ein Marine. Ich wollte es doch auch.« Einige lachten, sogar ein paar NVA ler. Ich erklärte dem Offizier, dass es mir leidtue, ihn so gehasst zu haben. Ich dankte ihm, dass er gekommen sei. »Ich weiß, Sie hielten mich für einen verdammten Hippie. Wir waren beide keine vollkommenen Offiziere. Ich vergebe Ihnen, bitte vergeben Sie auch mir.« Als ich ihn unter mir in einer der Kirchenbänke sitzen sah, war er nicht länger der alte Mann, für den ich in all den Jahren nur bitteren Zorn empfand. Er war vergleichsweise jung und mit achtunddreißig oder vierzig getötet worden. Ich sah ihn als jungen Mann, der einem im Kampf stehenden Bataillon zugeteilt worden und gleich mitten in den Schlamassel hineingeriet. Ich war nicht mehr wütend, ich war traurig. Er und ich, wir sahen uns an und begriffen, dass wir beide Fehler gemacht hatten.
Die Tür war offen geblieben. Gelegentlich sah ich zu ihr hinüber, hinaus in die Nacht, und fürchtete, ein ahnungsloses Gemeindemitglied könnte für eine stille Einkehr vor der Frühmesse kommen und uns hier mit den Toten vorfinden. Aber die Nacht bewahrte unser Geheimnis.
Gegen Ende der Messe sammelte sich Licht um die Berge von Santa Inez und zeichnete ihre kahlen Gipfel ins Grau des Himmels. Die offene Tür war nicht länger ein schwarzes Loch, aus dem Licht und Wärme nach draußen leckten, sondern ein graues Portal, durch das Licht hereinfiel.
»Die Messe ist zu Ende«, sagte Bruder Mark. »Gehet hin in Frieden und dienet dem Herrn.«
Und sie gingen, langsam, schweigend, voller Freude und mit dem Gefühl eines gelungenen Klassentreffens.
Bruder Mark schloss die Türen, wir räumten auf, hängten seine Gewänder weg, fuhren in die Stadt und frühstückten.
Zwei Nächte darauf spürte ich eine Präsenz in mein Schlafzimmer dringen, die mich aus tiefem Schlaf weckte, eine Präsenz, so heimtückisch und böse, dass sich das Zimmer mit einer dunklen Flüssigkeit zu füllen schien, die mir die Luft aus der Lunge drückte. Ich spürte, wie mir ein Prickeln das Rückgrat hinauf- und hinunterlief. Meine Frau schlief in einem anderen Zimmer und bekam nichts von alledem mit, meine Kinder in ihren Zimmern ebenfalls nicht. Was auch immer es sein mochte, es war wütend und hatte mit mir, Bruder Mark und unserer Messe für die Toten zu tun. Ich wusste gleich, es war größer als ich, und so begann ich um Hilfe zu beten. Es kam der einarmige Wikinger, der mit mir in Vietnam gewesen war. Es kamen die Große Mutter und der Erzengel Michael. Ich ergriff das Kruzifix des wiederauferstandenen Jesus Christus, das Bruder Mark mir beim Frühstück nach unserer Zeremonie gegeben hatte, hielt es fest in der Hand und flüsterte: »Jesus Christus, wenn ich dich je gebraucht habe, dann jetzt.« Voller Angst saß ich über eine Stunde lang da, während diese Präsenz auf mich und meine Helfer einschlug.
Ich bin nicht unbedingt jemand, der an Feenstaub glaubt, und wusste nicht, was ich davon halten sollte. Zwei Tage später ging es wieder so, es war die gleiche Situation mit mir in Angst und Schrecken und meinen geistigen Helfern, die mir die Präsenz vom Leib hielten. Ein Jungianer würde sagen, ich hätte den archetypischen Schatten getroffen, nicht allein meine eigene Schattenseite, sondern die der ganzen Welt, der gesamten menschlichen Rasse und der Zeit vor ihrer Existenz. Mir war klar, dass das Böse existierte, aber mit dieser Präsenz wurde es für mich zum ersten Mal greifbar. Ich erlebte nicht einfach nur, was das Böse anrichtete, das immerhin ausgereicht hatte, mir fünfunddreißig Jahre lang Albträume zu verschaffen, sondern ich sah mich dem Bösen selbst gegenüber. Mehrere Tage lang hatte ich das Gefühl, unser Haus würde belagert. Ich sprach mit Bruder Mark. Er und ich kamen zu dem Schluss, dass die Sache unsere Kräfte überstieg, aber er wollte sich nach Hilfe erkundigen. Er rief einen älteren Priester an, der sich mit Messen für die Toten auskannte. Dieser Priester saß mittlerweile im Vatikan und erklärte Bruder Mark,
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