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Was Farben sagen

Was Farben sagen

Titel: Was Farben sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabelle Wolf
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stimmig– so wie Rot und Blau in Violett, die zu einer neuen, faszinierenden Einheit verschmelzen.
    Violett prägt Räume, die eine fast sakrale Ruhe ausstrahlen. Doch an der einen oder anderen Stelle im Raum blitzt auch seine Extravaganz auf, und so könnten sich zum Beispiel gotische Buntglasfenster, einzelne ausrangierte Betbänke oder Heiligenstatuen in die Gestaltung mischen. Allein schon der ungewöhnliche Gebrauch der Stücke passt zum eigenwilligen Stil von Violett; sie bilden aber auch die große Affinität der Farbe, die nach Alexander Theroux » jede Menge Kirche« in sich hat, zu religiösen Themen ab.
    Die restlichen Möbelstücke sprechen in ihrer massiven, kantigen Form auf den ersten Blick vielleicht eine rote Sprache. Doch sie sind durch beispielsweise die (im Hintergrund wirkenden, blauen) Holzverbindungen und die von Flachschnitzereien (typisch violett) durchbrochenen Flächen nicht mehr grob, sondern deutlich eleganter und kunstfertiger. Nach oben fließende Linien und die Betonung der Vertikalen durch hohe, schmale Schränke, Längsstreifen auf Vorhängen und Wänden oder schlanke Skulpturen tragen ebenfalls violette Züge.
    In Violett dämpft Blau die Leuchtkraft von Rot, weswegen ihm alle nur matt glänzenden Materialien entsprechen wie Samt in zurückhaltenden Farbtönen. Er wird dem Rot in Violett durch seinen Pomp und die dichte Webart gerecht, das Blau zeigt sich in einer dezenten Farbgebung, und beide verbinden sich zu kühl-sinnlichem Violett. Kühl und sinnlich ist auch Seide, und für einzelne Möbelstücke kann man an farbloses Acryl denken: Die körperlose Transparenz ist blau, Rot steuert die feste Form bei.
    Mode– komplexe Individualität
    Violett hatte lange Zeit einen schlechten Ruf. Goethe sah in Violett » abgelebtes Alter«, und Kandinsky erkannte in ihm » etwas Krankhaftes, Erlöschtes, (…) etwas Trauriges«. Vor noch nicht allzu langer Zeit verband man mit Violett passend dazu eher die altjüngferliche Tante, die aussah, als wäre sie direkt einem Nonnenkloster entsprungen und müsse sich mit verkniffenen Mundwinkeln erst einmal den Staub aus dem Häubchen schütteln. Gerade in den letzten Jahren gab es allerdings kaum mehr eine Modelinie, die keine extravaganten Violetttöne in ihrer Kollektion gehabt hätte. Niemand wird bei violetten Kleidungsstücken mehr daran denken, dass es die Farbe der Demut und Buße sowie die des Feminismus ist, und die Farbe rundweg ablehnen. Violett soll in schwierigen Phasen des Lebens sogar dabei helfen, sich neu zu orientieren. Das Problem mit Violett liegt vielmehr darin, den passenden Farbton für sich zu finden, der einen nicht kränklich oder allzu blass aussehen lässt. Gelingt es, können die rotstichigen Nuancen– früher die Farbe der Könige– jedem Kleidungsstück eine würdevolle, glamouröse Note geben. Blauviolett dagegen wirkt geheimnisvoll und magisch. Wer jedoch meint, violette Stoffe seien nur an Bischöfen gut aufgehoben, muss trotzdem nicht auf den wirklich außergewöhnlichen Effekt der Farbe verzichten, sondern kann auf ihre Übersetzungen zurückgreifen.
    Die Violetttöne ähneln dunklem Blau in vielen Punkten. Aber ein Violett mit seinem dynamischen Rotanteil, der gerne im Mittelpunkt steht, verliert die Welt im Außen nicht ganz aus den Augen und zeigt sich in teilweise leicht exzentrischen Kreationen. Im Kleidungsstil verbinden sich rote und blaue, auffällige und dezente, provokative und schlichte, maskuline und feminine Elemente zu einem extravaganten Mix. Figurbetonte Oberteile werden zu weiten, fließenden Röcken kombiniert oder strenge, enge Hosen zu weich fallenden, schlichten Tuniken. Ein Zusammenspiel aus Leder und fließender Seide oder grober Wolle mit feinstem, dünnem Leinen intensiviert die Wirkung noch zusätzlich. Das für Violett typische Potenzial zur Verwandlung beschreiben auch wandelbare Kleidungsstücke, die mehrere Tragemöglichkeiten zulassen. Dem irdisch-sinnlichen roten Anteil verdanken sich eine Betonung der Taille, Mieder oder starre Korsagen sowie generell körperbetonte Schnitte. Dazu werden dünne, weich fließende (blaue) Stoffe wie Chiffon oder Charmeuse kombiniert, die die starren Formen– typisch blau– verwässern und aufweichen. Typisch violett wäre außerdem ein Modell aus (rotem) Leder mit

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