Was fuer eine Nacht Cowboy
groß für nur eine Person. Plötzlich überlegte er, ob sie überhaupt allein hier wohnte. Sie hatte gesagt, ihre Familie würde jetzt hier leben. Ob ihre Schwester mit ihrer Familie nach Laramie gekommen war?
Würden sie über Weihnachten einen Fremden in ihrer Mitte willkommen heißen?
Noah spähte aus dem Fenster. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Besonders als er ein kleines Mädchen im Vorgarten entdeckte, das Schnee zu einer Kugel rollte, um einen Schneemann zu bauen. Sie hatte Tess’ Haarfarbe, und ihre Wangen waren von der Kälte gerötet. Eine Nichte? Vermutlich. Also wohnte die Schwester wohl bei Tess.
“Ist das die richtige Adresse?” erkundigte sich der Taxifahrer.
„Ja, ich glaube schon.” Er zögerte noch, doch dann dachte er an die beigefarbenen Wände seines Motelzimmers. Vielleicht war es ja von Vorteil, wenn ihre Schwester bei ihr wohnte. So würde sie ihn wohl nicht so schnell hinauswerfen.
Er bezahlte das Taxi und stieg aus. Dann stand er mit seiner Tasche in der Hand da und stützte sich schwer auf seine Krücken.
Das Mädchen im Garten musterte ihn. Aus der Nähe sah sie Tess noch ähnlicher. Auf ihren Wangen entdeckte er jetzt Sommersprossen, wie Tess sie hatte. Auch ihre Nase sah genauso aus wie Tess’. Und genau das gleiche lange, dunkle Haar hatte Tess auch. Nur die Augen der Kleinen waren anders. Tess hatte grüne Augen, im Gegensatz zu dem Mädchen, das dunkelblaue Augen hatte. Es wandte sich nicht eine Sekunde von ihm ab.
“Ich suche Tess Montgomery”, sagte er dann schließlich. “Ist sie denn zu Hause?”
Das Mädchen schüttelte den Kopf. “Noch nicht”, antwortete es. “Sie wird um halb vier wieder da sein.“
“Hast du etwas dagegen, wenn ich auf sie warte?”
Die Kleine befeuchtete sich die Lippen. “Nein”, antwortete sie leise. “Du kannst warten.”
Langsam stapfte Noah durch den Schnee und öffnete das Tor. Als sie sah, wie ungeschickt er war, nahm sie ihm die Tasche ab und stellte sie auf die Veranda.
Er lächelte. Jetzt hatte er wohl eine Verbündete gewonnen.
Sie wandte sich zu ihm um, als er das Tor zumachte, und musterte ihn so prüfend, dass es ihn fast nervös machte.
“Ein schöner Schneemann”, bemerkte er.
“Danke.”
“Ich würde dir ja helfen, aber ich … kann mich noch nicht richtig bewegen.”
„Ja.“
“Ich bin Noah Tanner”, stellte er sich schließlich vor. Das konnte sie ja nicht wissen.
“Ich weiß.”
“Wirklich?” Erstaunlich. Wie viele Mädchen in ihrem Alter mochten wohl einen Weltchampion im Pferdezureiten erkennen, wem sie ihm begegneten?
“Hat Tess dir von mir erzählt?”
Sie nickte ernst.
Er grinste stolz. “Du weißt wirklich, wer ich bin?”
„Ja, du bist mein Vater”, antwortete sie.
3. KAPITEL
Bestimmt hatte Noah sich verhört.
Es konnte gar nicht anders sein. “Was hast du gesagt?”
“Ich sagte, du bist mein … Vater.” Die Kleine zögerte ein wenig, stellte ihre Behauptung aber nicht in Frage.
Er umklammerte seine Krücken. “Dein Vater?” Wie konnte er das nur so skeptisch aussprechen, wo sie ihn so aufrichtig überzeugt ansah? Aber wie hätte er sonst reagieren sollen?
“Ich bin Susannah.”
Er konnte nicht mal ihren Namen wiederholen.
“Susannah!” Sie wandten sich beide um, als Tess den Gehweg entlanggerannt kam, das Entsetzen im Gesicht.
Susannah strahlte. “Mom! Sieh mal, wer hier ist!“
Tess erreichte das Tor und fasste mit beiden Händen nach dem Zaun. Ihr Blick glitt unstet von dem erfreuten Kind zu Noah. “Was machst du denn hier?”
“Ich lerne gerade meine Tochter kennen?” Das Wort “Tochter” klang wie eine Frage in sich. Er konnte nicht anders.
Es lag eine bittere Ironie des Schicksals in der Situation, mit der er vielleicht fertig werden würde, wenn er hundert Jahre Zeit dazu bekam. Wie hatte sie ihm um Himmels willen verschweigen können, dass er eine Tochter hatte?
Tess hantierte am Riegel herum und öffnete das Tor. Sie durchquerte den Garten und legte einen Arm um Susannah. “Geh ins Haus und setz Milch auf, dann können wir gleich eine heiße Schokolade trinken.“
“Aber… “
“Geh schon.”
Sie klang wie eine strenge Mutter. Verflixt, dachte Noah, sie eine strenge Mutter.
“Aber ich will,… begann Susannah. Doch der Blick, der die Kleine traf, war strenger als der Ton, und so eilte sie, wenn auch widerstrebend, zur Tür.
Sie war kaum ein paar Schritte von ihnen entfernt, als Tess sich Noah zuwandte. “Ich weiß nicht,
Weitere Kostenlose Bücher