Was geschah mit Angelika H.
können Sie es? Eine Viertelmillion …«
»Ach was! Geld! Ich habe genug Geld! Eine Viertelmillion – lächerlich. Das Geld ist bereits hier. Natürlich werde ich zahlen. Es geht um das Leben meiner Enkelin!« Er hustete mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Verdammt, Sie sehen doch, wie krank ich bin. Ich werde sterben. Und wenn ich vor meinem Tod noch einmal meine Enkelin wiedersehen kann, dann zahle ich.«
»Sie wollen die Polizei nicht einschalten?«
»Hören Sie nicht richtig?« hustete Hilling. »Dieser Schweinehund wird Angelika umbringen, wenn wir nicht auf seine Forderungen eingehen.«
»Trotzdem«, beharrte Markesch. »Wir gehen ein großes Risiko ein, wenn wir die Polizei nicht informieren. Aber natürlich ist es Ihre Entscheidung.«
»Danke«, sagte Hilling trocken. »Freut mich, daß Ihnen gerade noch rechtzeitig einfällt, wer Ihnen Ihr Honorar zahlt.«
»Wir sollten dennoch auf ein Lebenszeichen von Angelika bestehen. Die Sache gefällt mir nicht.«
Hilfesuchend sah er zu Doktor Roth. Der Psychiater nickte eifrig.
»Ganz meine Meinung, Anton«, sagte er. »Hören Sie auf Markesch. Schließlich ist er eine Art Fachmann auf diesem Gebiet. Und es geht immerhin um eine Viertelmillion Mark. Ehe wir zahlen, sollten wir Gewißheit haben.« Er zögerte einen Moment. »Offen gestanden, ich habe meine Zweifel, ob wirklich eine Entführung vorliegt, und ich …«
Markesch hob überrascht die Brauen, aber ehe der Psychiater seine Zweifel näher erläutern konnte, brachte ihn der Alte mit einem barschen Wink zum Schweigen.
»Schluß damit! Es ist nicht Ihr Geld, Eugen. Und Ihres auch nicht, Markesch. Ich habe meine Entscheidung getroffen, und dabei bleibt es. Es wird alles so gemacht, wie es der Entführer verlangt hat.«
Doktor Roth hob resignierend die Schultern und wandte sich wieder zum Fenster, als hoffte er, Angelika Hilling hinter der nächsten Kiefer hervorspringen zu sehen und so die Viertelmillion vor dem Zugriff des Entführers zu retten.
»Okay«, brummte Markesch. »Okay, Sie sind der Boß. Es ist Ihr Geld, Ihre Enkelin, Ihre Entscheidung. Wo und wann soll das Lösegeld übergeben werden?«
»Heute nachmittag.« Hilling hustete wieder und schob ein paar bunte Pillen in den Mund, wie ein Kind, das Bonbons lutscht. »Sechzehn Uhr. Auf dem Neumarkt in Köln. Eigentlich sollte ich das Geld übergeben, aber das habe ich dem Schweinehund ausreden können. Die Aufregung – ich würde sie nicht überleben. Das Herz, die Lunge …« Er hustete, wie um seine Worte zu bestätigen. »Ich habe ihm gesagt, daß ich einen Mann meines Vertrauens mit dem Geldkoffer schicken werde, zu erkennen an einer roten Rose im Knopfloch …«
Hillings Gesicht bekam plötzlich einen träumerischen, fast verlorenen Ausdruck, und verblüfft entdeckte Markesch, wie sich Tränen in seinen Augen sammelten und zwei feuchte Spuren über die eingefallenen Wangen zeichneten.
»Angelika liebt Rosen«, murmelte er. »Haben Sie die Rosenstöcke hinter dem Haus gesehen? Sie sind ihr Werk. Wenn sie blühen, scheint das ganze Haus in Flammen zu stehen.«
Er schüttelte heftig den Kopf, als wollte er die sentimentale Anwandlung mit Gewalt abschütteln, doch es gelang ihm nicht. Flehend sah er Markesch an, ein alter, einsamer, verzweifelter Mann, dem das Leben zwischen den Fingern zerrann und der im Angesicht des Todes erkannte, daß sein Herz nicht aus Stein, sondern so weich und verwundbar war wie das Herz jedes anderen Menschen.
»Bitte«, krächzte er, »bringen Sie mir meine Enkelin zurück. Sie ist alles, was ich noch habe. Ich möchte sie noch einmal sehen, sie um … Verständnis bitten. Um Vergebung. Ich bin kein guter Mensch gewesen, wissen Sie, ich war nicht so gut zu ihr, wie es ein Großvater zu seiner Enkelin sein sollte. Nach der schweren Zeit, die sie durchgemacht hat, hätte sie einen Halt gebraucht, Trost, Verständnis. Aber ich war zu blind, zu sehr mit mir und meiner Krankheit beschäftigt. Alte Menschen sind eigensüchtig. Sie sollten abgeklärt sein, aber sie sind es nicht. Da ist nur noch diese kurze, diese schrecklich kurze Zeit zwischen ihnen und dem Grab, und plötzlich begreifen sie, was sie alles versäumt, was sie alles falsch gemacht haben. So viele Fehler! Ich … ich muß diese Fehler wiedergutmachen, verstehen Sie?«
Er atmete rasselnd, mühsam, hustete wieder, wischte mit einer ärgerlichen Bewegung die Tränen vom Gesicht.
»Aber was geht das Sie an?« stieß er hervor, von seinem eigenen
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