Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)
Mr Lukumi jedoch nicht aus den Augen. »Sie wissen, was mit mir geschieht.« Es war die Wahrheit, das fühlte ich.
Aber ich war verrückt, unter Medikamenteneinfluss und in Therapie. Es war leichter, mir einzubilden, dass das der Grund war, der mich in dieses Loch und zu diesem Medizinmann geführt hatte, als die unglaubliche Vorstellung, dass etwas ganz und gar nicht stimmte mit mir. Etwas, das schlimmer war, als verrückt zu sein. Mr Lukumi senkte die Augen und meine Gewissheit begann zu schwinden. Er verhielt sich, als wisse er etwas. Aber was konnte das sein? Und woher wusste er es? Doch eigentlich spielte das gar keine Rolle.
»Bitte«, sagte ich. »Ich bin …« Mir fiel die kleine Flasche ein, die ich in meiner verschwitzten Hand hielt. »Ich bin verwirrt. Ich brauche Hilfe.«
Mr Lukumi sah auf meine Faust. »Das wird dir nichts bringen«, sagte er, aber sein Tonfall war sanfter.
Noah blickte immer noch misstrauisch drein, aber auch er klang nun ruhiger. »Wir bezahlen auch dafür«, sagte er und wühlte in seiner Hosentasche. Obwohl er keine Ahnung hatte, was vor sich ging, spielte er das Spiel mit. Dieser furchtlose Kerl war einfach für alles zu haben. Ich liebte ihn.
Ich liebte ihn.
Ehe ich über diesen Gedanken länger nachdenken konnte, schüttelte Mr Lukumi den Kopf und wies uns abermals zur Tür. Da zog Noah ein fettes Bündel Geldscheine aus der Tasche. Ich riss die Augen auf, als er sie zählte.
»Fünftausend, wenn Sie uns helfen«, sagte er und drückte Mr Lukumi das Bündel in die Hand.
Ich war nicht die Einzige, die über diese Summe schockiert war. Der Priester zögerte einen Moment, ehe sich seine Finger um die Scheine schlossen. Seine Augen taxierten Noah.
»Sie brauchen wirklich Hilfe«, sagte er zu ihm und schüttelte den Kopf, ehe er hinter uns die Tür schloss. Dann sah er mir in die Augen. »Warte hier.« Er ging zu einer Hintertür, die mir bisher noch gar nicht aufgefallen war.
Mr Lukumi verschwand und Krähen und Gackern drang an mein Ohr.
»Hühner?«, fragte ich. »Was sind das –«
Ein nichtmenschlicher Schrei unterbrach meine Frage.
»Hat er gerade …« Ich ballte die Fäuste. Nein. Unmöglich.
Noah legte den Kopf schief. »Worüber regst du dich so auf?«
»Machst du Witze?«
»Das Medianoche, das wir gerade gegessen haben, war aus Schweinefleisch.«
Daswar etwas anderes. »Und das Schwein musste ich nicht hören«, sagte ich laut.
»Tu nicht so scheinheilig, Mara«, sagte er und der traurige Schatten eines Lächelns umspielte seine Mundwinkel.
»Außerdem ist das hier deine Show. Ich bin nur der Finanzier.«
Ich versuchte nicht darüber nachzudenken, was im Hinterzimmer gerade vor sich gehen mochte, während das Sandwich in meinem Magen immer schwerer wurde. »Apropos Finanzen«, sagte ich und musste schlucken, bevor ich weitersprach: »Warum zum Henker hast du fünftausend Dollar in der Tasche?«
»Acht, um genau zu sein. Ich hatte heute Großes mit dir vor. Nutten und Koks sind nicht ganz billig, aber jetzt müssen wir es wohl bei einem Tieropfer belassen. Herzlichen Glückwunsch.«
»Vielen Dank«, erwiderte ich trocken. Ich fühlte mich langsam wieder normaler, ja fast entspannt. »Aber ernsthaft, warum das Geld?«
Noahs Augen waren auf die Hintertür gerichtet. »Ich hatte vor, im Künstlerviertel vorbeizuschauen, um einen Maler zu treffen, den ich kenne. Ich wollte ihm etwas abkaufen.«
»Mit so viel Geld? In bar?«
»Sagen wir mal, er hat ein paar teure Angewohnheiten.«
»Und du wolltest ihm dabei unter die Arme greifen?« Noah hob eine Schulter. »Er ist ungeheuer talentiert.« Ich sah ihn missbilligend an.
»Was?«, fragte Noah. »Wir haben alle unsere Fehler.«
Da Noahs Geld jetzt dazu diente, die Opferung eines Tieres zu finanzieren statt der Kokainsucht eines Malers, ließ ich das Thema lieber fallen. Ich sah mich im Raum um.
»Was soll der ganze Krempel hier?«, fragte ich. »Die rostigen Hufeisen und der Honig?«
»Das sind Opfergaben«, sagte Noah. »Die Santeria-Religion, die die Exil-Kubaner mitgebracht haben, ist hier in Miami sehr populär. Und Mr Lukumi ist einer ihrer Hohepriester.«
In diesem Moment ging die Hintertür auf und der Priester erschien mit einem kleinen Glas in der Hand, auf dem das Bild eines Hahns zu sehen war. Schauderhaft.
Er zeigte auf den hässlichen braungelben Lehnstuhl in der Ecke. »Setz dich«, sagte er und lotste mich hinüber. Seine Stimme war kühl und distanziert. Ich gehorchte.
Er reichte mir
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