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Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)

Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)

Titel: Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Hodkin
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jämmerlichen Gefährten. Ich war mir nicht zu schade, meine Tragödie für höhere Zwecke auszuschlachten.
    So plötzlich, wie er angefangen hatte, hörte der Regen wieder auf und ließ nur einen feinen Dunst zurück. Als wir kurz vor dem Parkplatz um die Ecke bogen, bemerkte ich einen gewissen Jungen, der mit einem gewissen federnden Gang auf mich zukam. Er fuhr sich mit den Fingern durch die regennassen Haare und fummelte in seiner Brusttasche herum. Ich wollte mich hinter dem nächstbesten Wagen verstecken, doch genau in diesem Moment bellte der Hund. Erwischt!
    »Mara«, sagte er, als er herankam. Er neigte den Kopf und der Anflug eines Lächelns ließ in seinen Augenwinkeln kleine Fältchen entstehen.
    »Noah«, erwiderte ich im gleichgültigsten Ton, den ich zustande brachte. Ich blieb nicht stehen.
    »Willst du mich nicht deinem Freund vorstellen?« Sein klarer Blick heftete sich auf den Hund. Seine Kiefermuskeln spannten sich an, als er die Einzelheiten registrierte – das knochige Rückgrat, das fleckige Fell, die Narben –, und einen Moment lang spiegelte sich in seinem Gesicht stille, kalte Wut. Dann nahm es einen Ausdruck wachsamer Ausdruckslosigkeit an.
    Ich versuchte, locker zu wirken, als würde ich meinen Nachmittagsspaziergang immer im Regen und in Begleitung eines ausgemergelten Vierbeiners unternehmen. »Ich bin ziemlich beschäftigt, Noah.« Davon war nichts zu sehen.
    »Wo willst du hin?«
    In seiner Stimme schwang eine Schärfe mit, die mir nicht behagte. »Himmel, du bist ja wie die Pest.«
    »Ein virtuos konzipiertes, episches Meisterwerk, mit kraftvollem Understatement und von zeitloser moralischer Strahlkraft. Vielen Dank. Das ist mit das Schönste, was man je zu mir gesagt hat«, erwiderte er.
    »Ich meine die Seuche, Noah. Nicht das Buch.«
    »Die Einschränkung ignoriere ich.«
    »Kannst du sie ignorieren, während du mich vorbeilässt? Ich bin auf der Suche nach einem Tierarzt.«
    Ichsah zu dem Hund hinunter. Er starrte Noah an und wedelte leicht mit dem Schwanz, als dieser sich bückte, um ihn zu streicheln.
    »Ich habe ihn gefunden.« Ich hatte Herzklopfen, als ich die Lüge aussprach.
    Noah hob eine Braue, als er mich anblickte, und sah auf die Uhr. »Heute ist dein Glückstag. Ich kenne eine Tier- ärztin, nur sechs Minuten entfernt von hier.«
    Ich zögerte. »Wirklich?« So ein Zufall.
    »Wirklich. Komm mit. Ich fahre dich hin.«
    Ich überdachte die Lage. Der Hund brauchte Hilfe, und zwar schnell. Und wenn Noah mich fuhr, würde er viel schneller untersucht werden. Bei meinem Orientierungssinn konnte es passieren, dass ich bis vier Uhr morgens ziellos durch Süd-Miami irrte.
    Ich würde mit Noah fahren. »Danke«, sagte ich und nickte ihm zu. Er lächelte und wir gingen zu dritt zu seinem Wagen. Einem Honda Prius.
    Er öffnete die hintere Tür und nahm mir die Leine aus der Hand. Dann hob er den Hund hoch und setzte ihn, trotz des fleckigen Fells und der Tatsache, dass er voller Flöhe war, auf den Rücksitz.
    Ich würde sterben, wenn der Hund ins Auto pinkelte. Ich musste Noah warnen.
    »Noah«, sagte ich, »ich habe ihn erst vor zwei Minuten gefunden. Er ist … ein Streuner und ich weiß überhaupt nichts über ihn, auch nicht, ob er stubenrein ist oder so. Ich will nicht, dass er –«
    Noah legte mir den Zeigefinger auf die Lippen und den Daumen unter das Kinn und brachte mich mit leichtem Druck dazu, den Mund zu halten. Mir wurde schwindlig, vielleicht haben sogar meine Lider geflattert, als ich die Augen schloss. Wie peinlich! Ich hätte mich umbringen können.
    »Sei still«, sagte er sanft. »Das spielt keine Rolle. Lass mich einfach dafür sorgen, dass die Hündin untersucht wird, ja?«
    Ich nickte matt und mit rasendem Puls. Noah ging zur Beifahrerseite hinüber und öffnete mir die Tür. Ich stieg ein.

14
    I chließ ich mich auf dem Beifahrersitz nieder, wobei ich mir seiner Nähe nur allzu bewusst war. Noah kramte in seiner Brusttasche und zog eine Packung Zigaretten heraus, dann ein Feuerzeug. Ich konnte mich nicht zurückhalten.
    »Du rauchst ?«
    Ein kleines, schelmisches Lächeln blitzte auf. »Willst du eine?«, fragte er.
    Jedes Mal, wenn er so die Augenbrauen hob, legte sich seine Stirn auf ausgesprochen anziehende Weise in Falten.
    Irgendetwas stimmte nicht mit mir. Ich rechnete es meiner schwindenden geistigen Gesundheit zu und mied seinen Blick.
    »Nein, ich möchte keine. Zigaretten sind ekelhaft.«
    Noah steckte die Packung wieder in die Brusttasche.

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