Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)
die Tür an, auf die die lächelnde Empfangsdame deutete. Ich ging hinein.
Die Psychiaterin nahm ihre Brille ab und legte sie im Aufstehen auf den Schreibtisch. »Schön, Sie kennenzulernen, Mara. Ich bin Rebecca Maillard.«
Wir gaben uns die Hand. Ich musterte die Sitzgelegenheiten. Ein Sessel. Die obligatorische Couch. Ein Drehstuhl. Wahrscheinlich eine Art Test. Ich entschied mich für den Sessel.
Dr. Maillard lächelte und schlug die Beine übereinander. Sie war dünn. Etwa so alt wie meine Mutter. Vielleicht kannten sie sich sogar. »Also, was führt Sie heute her, Mara?«, fragte sie.
Ich streckte meinen bandagierten Arm aus. Dr. Maillard hob die Augenbrauen und wartete darauf, dass ich etwas sagte. Also tat ich es.
»Ichhabe mich verbrannt.«
»Heißt das, dass Sie verbrannt wurden oder dass Sie sich selbst verbrannt haben?«
Sie war eine ganz Fixe, diese Frau. »Ich wurde verbrannt, aber meine Mutter glaubt, ich hätte es selbst getan.«
»Wie ist das passiert?«
Ich atmete tief durch und erzählte ihr von den Ohrringen und der Badewanne. Aber nicht von der offenen Haustür. Oder der Schachtel in meinem Schrank, von der ich mich nicht erinnern konnte, sie heruntergeholt zu haben. Eins nach dem anderen.
»Ist etwas in der Art schon einmal vorgekommen?«
»In welcher Art?« Ich überflog die Bücher in ihren Regalen; das diagnostische Handbuch, die Pharmakologiebücher und die Zeitschriften. Nichts davon interessant oder ungewöhnlich. Es hätte eine x-beliebige Praxis sein können. Sie hatte nichts Persönliches.
Dr. Maillard hielt kurz inne, bevor sie antwortete. »Waren Sie gestern das erste Mal im Krankenhaus?«
Ich sah sie mit schmalen Augen an. Sie hörte sich eher nach Anwältin an als nach einer Psychiaterin. »Warum fragen Sie, wenn Sie die Antwort schon wissen?«
»Ich weiß die Antwort nicht«, erwiderte Dr. Maillard unbeeindruckt.
»Meine Mutter hat Ihnen nichts erzählt?«
»Sie hat mir erzählt, dass Ihre Familie vor Kurzem hierhergezogen ist, weil Sie auf Rhode Island ein traumatisches Erlebnis hatten, aber ich hatte keine Gelegenheit, länger mit ihr zu reden. Ich musste einen anderen Termin verlegen, um Sie so kurzfristig dranzunehmen.«
»Tutmir leid«, sagte ich.
Dr. Maillard runzelte die Stirn. »Das muss Ihnen nicht leidtun, Mara. Ich hoffe einfach, dass ich Ihnen helfen kann.« Das hoffte ich auch, doch ich begann es zu bezweifeln.
»Wie stellen Sie sich das vor?«
»Nun, Sie könnten damit anfangen, dass Sie mir erzählen, ob Sie schon mal im Krankenhaus waren«, sagte sie und faltete die Hände im Schoß. Ich nickte.
»Aus welchem Grund?« Sie betrachtete mich mit beiläufigem Interesse und schrieb nichts auf.
»Meine Freunde sind bei einem Unfall ums Leben gekommen. Auch meine beste Freundin. Ich war dabei, aber ich wurde nicht verletzt.«
Sie sah verwirrt aus. »Warum waren Sie dann im Krankenhaus?«
»Ich war drei Tage lang bewusstlos.« Mein Mund schien das Wort »Koma« nicht aussprechen zu wollen.
»Ihre Freunde«, sagte sie gedehnt. »Wie sind sie gestorben?«
Ich versuchte, ihr zu antworten und das zu wiederholen, was meine Mutter mir erzählt hatte, doch ich schaffte es nicht. Die Worte steckten irgendwo in meiner Kehle fest, gerade so, dass ich sie nicht herausbekam. Die Stille wurde immer unangenehmer.
Dr. Maillard beugte sich vor. »Ist schon gut, Mara«, sagte sie. »Sie müssen es mir nicht erzählen.«
Ich holte tief Luft. »Ich kann mich, ehrlich gesagt, nicht daran erinnern, wie sie gestorben sind.«
Sie nickte. Eine dunkelblonde Haarsträhne fiel ihr in die Stirn. »Okay.«
»Okay?«Ich warf ihr einen misstrauischen Blick zu. »Einfach so?«
Dr. Maillard lächelte ein wenig und ihre braunen Augen blickten freundlich. »Einfach so. In diesem Zimmer müssen wir über nichts reden, über das Sie nicht reden wollen.«
Ich wurde ein wenig ungehalten. »Es macht mir nichts aus, darüber zu reden. Ich erinnere mich einfach nicht daran.«
»Und das ist okay. Unser Verstand schützt uns mitunter vor Dingen, bis wir in der Lage sind, mit ihnen umzugehen.«
Ihr Gerede störte mich irgendwie. »Ich fühle mich durchaus bereit, damit umzugehen.«
Sie strich sich die Strähne hinters Ohr. »Das ist ebenfalls in Ordnung. Wann ist es passiert?«
Ich überlegte einen Augenblick – es war so schwer, mit der Zeit Schritt zu halten. »Vor ein paar Monaten? Im Dezember?«
Zum ersten Mal veränderte sich Dr. Maillards Auftreten. Sie wirkte überrascht.
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