Was habe ich getan?
morgens wachte Kate widerwillig erneut auf. Ihr Kissen war feucht von den Tränen, die sie im Schlaf vergossen hatte. Ihre Augen waren geschwollen, ihr Hals trocken. Sie hatte nicht gemerkt, dass sie geweint hatte, aber es fühlte sich schrecklich vertraut an und erinnerte sie an die vielen Male, die sie im elterlichen Schlafzimmer in Mountbriers erwacht war. Dort war sie wegen ihres elenden Lebens häufig tränenüberströmt zu sich gekommen. Sie hatte wegen der Nacht geweint, die sie hatte ertragen müssen, und wegen des Tages, der vor ihr lag und den sie erst noch durchzustehen hatte, und dann hatte sie ihr Lächeln aufgesetzt und war mit ihrem Wäschekorb ins Freie hinausgegangen.
Sie beschloss, dass ein Schluck Whisky genau das Richtige sein würde, um wieder einschlafen zu können. Tom hatte irgendwo hinten in der Speisekammer eine Flasche versteckt. Sie tat immer so, als wüsste sie es nicht, genau wie sie seine Mittagsschläfchen in seinem Lieferwagen ignorierte. Der Gute!
Kate schenkte sich einen ordentlichen Schluck ein und trug das Glas zum Sofa. Der Whisky schmeckte widerlich. Hin und wieder konnte sie ein Glas Wein vertragen, aber das hier war etwas ganz anderes. Sie nippte trotzdem weiter, und zu ihrem Erstaunen war der Geschmack nach dem ersten Glas beinahe angenehm. Der Whisky wärmte ihr allmählich die Kehle und begann, ihren Kummer zu betäuben. Sie begrüßte diese Art von Flucht. Der Kopf sank ihr auf die Brust. Als sie die Augen wieder aufschlug, saß Mark ihr gegenüber im Sessel.
»Hallo, Kathryn.«
Wieder war es die unverkennbar geschliffene Sprache ihres Mannes. Er trug seinen dunkelgrauen Anzug, ein blendend weißes Hemd und eine hellblaue Krawatte. Er hatte die Beine übereinander geschlagen, und das schmale Hosenbein war gerade so weit nach oben gerutscht, dass eine hellblaue Seidensocke zu sehen war. Seine verschränkten Finger bildeten eine Pyramide und lagen auf seiner Brust. Er sah sonnengebräunt aus, entspannt und glücklich. Und er lächelte. Ihr stieg der unverkennbare Duft von Floris Nr. 89 in die Nase.
Ihr Atem ging stockend. Sie zitterte. Sie schloss die Augen und hoffte, dass er verschwunden sein würde, wenn sie sie wieder öffnete. Aber das war er nicht.
»Redest du nicht mit mir, Kathryn?«
»Verschwinde. Du bist nicht mehr da!«
»Kathryn Brooker, habe ich dir denn gar nichts beigebracht? Wo bleibt denn dein Benehmen? Die Höflichkeit verlangt, dass du dich mit einem Gast, der zu dir zu Besuch kommt, unterhältst, ob er eingeladen ist oder nicht.«
»Ich kann mich mit dir nicht unterhalten, weil du nicht mehr da bist.«
»Stimmt das? Wen schaust du denn gerade an, du dummes Mädchen? Wer sitzt denn in diesem Moment in deinem Wohnzimmer?«
»Ich will nicht mit dir reden. Ich will nie mehr mit dir reden!«
»Ach, süße Kathryn, aber du sprichst doch gerade mit mir.«
»Ich heiße jetzt Kate.«
Sie war sich bewusst, dass sie ein bisschen lallte. Er kicherte leise.
»Stimmt das, Schatz? Und wie lange bist du schon Kate?«
Sie überlegte.
»Ich habe immer Kate geheißen, aber das durfte ich eine Weile nicht, so lange nicht, bis du verschwunden warst.«
Seine Stimme klang fest, unerschütterlich.
»Nein, mein Schatz. Du wirst nie Kate sein. Niemals, nicht wirklich. Aber das weißt du tief in deinem Innersten selbst, nicht wahr, Kathryn?«
»Ich bin Kate, nicht Kathryn, und du bist tot, Mark. Du kannst mir nicht mehr wehtun.«
Sie warf den Kopf von einer Seite zur anderen und versuchte auf diese Weise, dafür zu sorgen, dass er verschwand. Mark lachte in sich hinein. Er beugte sich vor, und seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
»Das glaubst du doch nicht wirklich, oder?«
»Doch! Es ist wahr. Du kannst mir nicht mehr wehtun. Ich bin von dir befreit, Mark.«
»Ach, Kathryn. Was hast du einmal zu mir gesagt? Ich werde all das werden, was ich einst für möglich gehalten habe. Ist dir das gelungen, Schatz? Bist du all das geworden, was du für möglich gehalten hast? Hast du dir dabei vorgestellt, du könntest einsam, alt und ohne Kinder sein? Hast du dir das gedacht? Und was deine Feststellung anbelangt, dass ich dir nicht mehr wehtun kann, so wissen wir doch beide, dass ich dir trotz deiner mutigen Worte noch immer jeden Tag wehtue. Es braucht mehr, als in Jeans zu schlüpfen und kein Bett mehr zu machen, um mich loszuwerden. Ich schaue dir über die Schulter, wenn du in den Spiegel blickst. Ich atme an deinem Hals, bevor du einschläfst, und ich
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