Was habe ich getan?
Wahrscheinlich waren sie zu unbedeutend, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.
Im Laufe der Jahre hatte sie viele Packungen leuchtender Plastikklammern gekauft und wieder weggeworfen. Die schwachen, kleinen Federn gaben häufig schon nach kurzer Zeit den Geist auf. Doch diese langen Holzklammern mit dem Kugelkopf und dem von Hand präzise ausgesägten Spalt würden sie alle überleben. Irgendwann würde sie sie Lydia vermachen. Bei diesem Gedanken musste sie kichern. Sie konnte sich ausmalen, wie Lydia bei der Aussicht die Augen verdrehen würde, ein Set Wäscheklammern zu erben. Als kleines Mädchen hatte Lydia Interesse gezeigt, hatte sorgfältig eine Klammer ausgesucht und mit einem dicken schwarzen Filzstift zwei Punkte als Augen und einen lachenden Mund aufgemalt. Kathryn hatte dieser speziellen Klammer den Namen Peggy gegeben, und diese entlockte ihr täglich ein Lächeln. Vielleicht würde Lydia die Sache anders sehen, wenn sie älter war. Ihre eigenen Ansichten unterschieden sich weiß Gott inzwischen auch sehr von denen, die sie hatte, als sie im Alter ihrer Tochter gewesen war.
Kathryn erinnerte sich, sich in den ersten Jahren ihrer Ehe durch das Wissen beruhigt gefühlt zu haben, dass sie diese lustigen kleinen Gegenstände wahrscheinlich in der dritten Generation benutzte. Häufig überlegte sie, welche Kleidungsstücke damit festgeklammert worden waren. Drei Generationen von Kleidern, in denen ihre Familie geschlafen, gearbeitet und geliebt hatte. Dann fingerte sie an der Klammer herum und fragte sich, ob diese wohl das Arbeitshemd ihres Großvaters oder den Seidenslip ihrer Mutter berührt hatte.
Sie machte sich häufig Gedanken darüber, ob ihre Mutter und Großmutter beim Anblick einer Leine voller sauberer Wäsche wohl ebenso viel Freude empfunden hatten wie sie. Die Erwartung, die vom Wind getrocknete Wäsche abzunehmen, auf den Arm zu laden und den frischen Duft einzuatmen, bereitete ihr an sich schon eine einzigartige Freude. Das Falten und Glätten sauberer Kleidungsstücke war befriedigend und erfüllte sie gewöhnlich mit einer tiefen Zufriedenheit. Das Waschen und Bügeln von Kleidungsstücken waren ein handfester Beweis, dass das Familienleben harmonisch verlief.
Doch die Freude, die sie bei der Erledigung der Wäsche früher empfunden hatte, war mit dem Tag ihrer Hochzeit vor siebzehn Jahren und fünf Monaten mit einem Schlag dahin gewesen. Inzwischen hatte dieses tägliche Ritual nichts Freudiges mehr, überhaupt nichts. Abgesehen von ihren beiden Kindern hatte sie in ihrem Leben überhaupt sehr wenig Anlass zur Freude.
Kathryn wusste schon seit geraumer Zeit, dass sie den Spitznamen Mrs Bedmaker hatte. Sie hatte ein Murmeln hinter vorgehaltener Hand gehört und Gekritzel auf verschiedenen Flächen gesehen, zum Beispiel auf der Unterseite eines Schultischs und auf der Rückseite einer Klotür beim Gemeinschaftsraum der Unterstufe. Von kühneren Schülern wurde sie regelmäßig so gerufen, doch jeder hoffte, dass sie es nicht hören und nichts dazu sagen würde. Selbstverständlich »hörte« sie es nie und sagte nichts dazu, wodurch sie die Schüler zum Weitermachen ermunterte. Es störte sie jedoch nicht allzu sehr. Sie hatte andere Sorgen, größere.
An besseren Tagen fand sie es sogar lustig, dass die Gerüchteküche unter den Schülern verbreitet hatte, sie sei eine Sexbesessene, die jede Nacht auf einem intensiven und wilden Liebesleben bestand.
Welchen Grund hätte es dafür gegeben, ständig die Bettwäsche zu wechseln? Stups, stups, zwinker, zwinker … die aufreizende Mrs Brooker, der glückliche Mr Brooker. War das womöglich der Grund dafür, wieso sie immer so erschöpft, so schwach aussah und er so glücklich, so selbstzufrieden?
Manchmal starrte sie ihr Spiegelbild an, betrachtete ihren dünnen Körper und den nervösen Gesichtsausdruck, ihre Blässe, die dunklen Ringe unter ihren Augen, ihre Cellistinnen-Finger mit den gerade geschnittenen Nägeln und ihren langweiligen Bob-Haarschnitt. Wenn sie dann ihre olivfarbene Strickjacke über ihr Leinenkleid zog, dachte sie: Genau, ich bin eine echte Sexbombe.
Nur ungern verließ Kathryn den warmen Sonnenschein des frühen Morgens und kehrte in die Küche zurück, um die Frühstückssachen vom geschrubbten Kiefernholztisch zu räumen, der den Raum beherrschte.
Ein mit Marmelade beschmierter Teller und ein leerer Kaffeebecher waren der einzige Beweis, dass ihr Sohn Dominic mit ihnen noch immer unter dem georgianischen Dach
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