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Was habe ich getan?

Was habe ich getan?

Titel: Was habe ich getan? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Prowse
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Gesicht an, bis sie ihm in die Augen sah.
    »So ist es besser, meine wunderschöne Frau. Jetzt kann ich dein hübsches Gesicht richtig sehen. Was sagst du dazu?«, fragte er. »Was sagst du zu dem Geschenk der Rose?«
    »Danke«, flüsterte sie.
    Er schob ihren Kopf herunter und drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel.
    »O mein Gott, ihr beiden Turteltauben, sucht euch ein Zimmer.«
    Ihre fünfzehnjährige Tochter, beladen mit einem Ranzen voller Bücher, tat im Vorbeigehen so, als müsse sie sich übergeben. Die schwarze Strumpfhose schien ihr um die dürren Beine zu schlackern. Ihre langen dunklen Haare sahen ganz verfilzt aus, weil sie zu viel Haargel verwendet hatte. Doch dies war der modisch korrekte Look, über den man kein Wort verlieren durfte.
    Es amüsierte Kathryn, zu sehen, wie weit die Kinder die Grenzen der Bekleidungsvorschriften ausdehnten. Für ein ungeübtes Auge sahen die Schüler alle identisch aus – trotz eines hochgekrempelten Ärmels, einer unkonventionell gebundenen Krawatte oder einer Strumpfhose, die nicht den Vorschriften entsprach. Egal, wie schäbig sie sich kleideten, wie sehr sie herumschlurften oder fluchten, sie konnten den Geruch nach Privilegien und Reichtum nicht loswerden, der ihr gestyltes Auftreten umwehte.
    Kathryn ignorierte die Bemerkung ihrer Tochter.
    »Kommst du zum Mittagessen nach Hause, Lydia, oder gehst du zu deinem Kunstkurs?«
    »Weiß nicht. Ich gebe dir Bescheid.«
    »Okay, Schatz. Gut. Ich wünsche dir einen schönen Tag. Und bitte, iss etwas zu Mittag.«
    »Ich gehe mit dir, Lyds. Warte einen Augenblick, ich muss nur schnell meine Tasche holen.«
    Mark freute sich über die Gelegenheit, sein kleines Mädchen
zu begleiten. Sein hektischer Tagesablauf hatte zur Folge, dass er nur ganz selten Zeit allein mit einem seiner Kinder verbringen konnte.
    »Nein, Dad, bitte lass das. Ich treffe mich mit Phoebe, und es ist einfach absolut uncool, mit dir im Klassenzimmer zu erscheinen.«
    »Uncool? So etwas habe ich ja noch nie gehört!« Er tat so, als fühle er sich gekränkt. »Ich bin ein sehr hipper und angesagter Dad, dass du es nur weißt.« Er lachte über ihre Ablehnung.
    »O mein Gott, bitte sei still! Wenn du das wirklich wärst, würdest du wissen, dass man nicht hip und angesagt sagt. Ihr beide seid so peinlich. Zuerst knutscht ihr in der Öffentlichkeit herum, und dann versuchst du, mein Kumpel zu sein. Das ist dermaßen uncool! Warum bloß habe ich keine normalen Eltern? Zur Abwechslung hätte ich gern mal eine langweilige Mum und einen Dad wie alle anderen, eben Eltern, die nicht alles so furchtbar ungeschickt angehen.«
    Ihre Mutter meldete sich zu Wort. »Das kann man wohl kaum als Knutschen bezeichnen, Lydia.«
    Keiner hörte sie.
    Der Direktor und seine Tochter verschwanden um die Ecke. Das Echo ihrer ausgelassenen Neckereien warf abgehackte Silben und spitze Schreie zu ihr zurück. Sehr spaßig. Kathryn sog die Lippen ein und biss fest darauf.
    Als sie allein im Garten stand und ihren Aufgaben nachging, überlegte Kathryn, wie es wohl wäre, einen Ort zu haben, an den man gehen musste – ein Büro, ein Geschäft, ein Klassenzimmer. Wie es wohl wäre, zu jenen Personen zu zählen, deren Verschwinden Leuten auffallen würde.
    Als ihr klar wurde, dass sie die Blüte in der Hand hielt, drückte sie die Rose so lange zusammen, bis ihr der Saft aus den Blütenblättern über das Handgelenk rann und der berauschende Duft ihr ein paar Sekunden Freude schenkte. Die Blüte zerfiel auf ihrer verschmierten Handfläche. Kathryn ging zum Blumenbeet, wo die Verwandten und Cousinen der Rose stolz und aufrecht dastanden, schob eine Handvoll Erde zur Seite, legte die Rose in die Mulde und begrub sie.
    Als sie die Hände frei und an ihrer Schürze sauber gewischt hatte, wandte sie sich wieder der Wäsche zu. Sie steckte eine Ecke des Leintuchs fest, zog das andere Ende straff und befestigte es mit einer Holzwäscheklammer.
    Die Klammer gehörte zu einem Set, das sie schon seit einer Ewigkeit besessen hatte, möglicherweise schon als kleines Mädchen. Sie wusste nicht mit Sicherheit, wann man ihr die Klammern geschenkt hatte, aber sie wusste definitiv, dass sie aus der Vorratskammer ihrer Mutter stammten. Sie hatte die Blechbüchse mit den aufrecht marschierenden Spielzeugsoldaten auf dem Deckel deutlich vor Augen, in der sie früher aufbewahrt worden waren. Die Großmutter hatte sie ihrer Mutter geschenkt. Aus irgendeinem Grund hatte Mark ihr erlaubt, sie zu behalten.

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