Was habe ich getan?
wahr.
Sie legte sich bäuchlings mitten aufs Bett, das Nachthemd bis knapp über ihren Hintern hochgeschoben. An diesem Punkt fragte er immer: »Liegst du bequem?«, und sie murmelte dann entweder in die cremefarbene Steppdecke hinein oder nickte, ja, sie lag bequem.
Die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass es keinen Zweck hatte, irgendetwas anderes zu sagen oder anzudeuten.
Im Laufe der Jahre war Kathryn dazu übergegangen, Marks Verhalten als normal zu betrachten, insofern, als normal sich auf etwas bezog, was häufig, ja regelmäßig wiederkehrte, als Standard, als etwas, was Routine war, vorhersehbar, ein Fixpunkt, etwas, was tagtäglich geschah
Mark hatte beim Ritzen Methode und Rhythmus. Niemals durchtrennte er einen Schnitt, der noch nicht richtig verheilt war, und er schnitt stets mit großer Präzision ein Muster von Linien, die jeweils nur Millimeter voneinander entfernt waren und leicht diagonal verliefen. Außerdem schnitt er immer von innen nach außen. Kathryns Oberschenkel waren an der Rückseite von einem dichten Muster aus Linien und Furchen durchzogen, von mehr als sechstausend Linien in unterschiedlichen Stadien der Heilung und Erholung.
Mark machte immer nur einen Schnitt pro Nacht – eine einzige Linie – unabhängig von der Punktzahl, die er vergeben hatte. Bei den Punkten ging es nicht um die Anzahl: Sie waren der Maßstab für die Tiefe der Schnitte.
Die vergebenen Punkte reichten von null bis zwölf. In ihrem gesamten Eheleben hatte Kathryn nie eine Null erreicht und glaubte auch nicht daran, sie jemals erreichen zu können. Zwölf Punkte bedeuteten, dass sie das Bewusstsein verlieren würde, aber das war manchmal dem heftigen Schmerz einer Neun oder Zehn vorzuziehen.
Sie fand es auf morbide Weise faszinierend, dass ihr Blut weiterhin floss. Ein zähes, klebriges Tröpfeln, jede Nacht. Würde es denn nie versiegen? Oder würde irgendwann der Tag kommen, an dem Mark den Schnitt machte, und es würde nichts geschehen? Eine erschöpfte Quelle: aufgebraucht, geleert, dahin, genug.
Das Schneiden konnte zwischen drei und zehn Minuten dauern. Ihr Blut würde warm und dickflüssig zwischen ihren Beinen hinab und auf die weißen Leinenlaken tropfen. Dort würde es Muster bilden, die einem See ähnelten. An einem guten Tag konnte es Lake Placid sein, an einem schlechten der Genfer See. Sobald Mark mit dem Schneiden fertig war, vergewaltigte er sie.
Es war Kathryn nicht gestattet, sich nach diesem nächtlichen Ritual zu waschen. Genau genommen war es ihr nicht einmal gestattet, sich zu rühren, bevor ihr Mann eingeschlafen war. Wenn sie sich schließlich auf ihre Seite des Bettes schob, zuckte sie vor Schmerz zusammen. Irgendwann schlief sie ein, wenn die Höllenqualen ein wenig nachließen. Manchmal vergoss sie heiße, stille Tränen in ihr Kopfkissen, aber meistens tat sie das nicht, jedenfalls nicht mehr. Auch das, so hatte die Erfahrung sie gelehrt, war zwecklos.
Es war niemand da, der diese Tränen gesehen und ihr Schluchzen gehört hätte.
Der Wecker piepste, und das irritierende Echo hallte durchs Zimmer. Es war 6 Uhr. Widerwillig schlug Kathryn die Augen auf. Mark war bereits wach, er stand neben dem Bett und beobachtete, wie sie zu sich kam. Er streckte den Arm aus und ergriff zärtlich ihre Hand, als sie, noch immer ganz verschlafen, von der Matratze glitt. Ihr Nachthemd war wie gewöhnlich getrocknet und klebte wegen des blutenden Schnitts an ihren Oberschenkeln. Sie stand still und aufrecht da, während er mit der freien Hand den Stoff zusammenraffte, fest daran riss und ihn so vom geronnenen Blut der Wunde löste. Davon wurde sie endgültig wach.
Schließlich führte er sie ins Badezimmer. Sie sah zu, wie er den Hahn aufdrehte und das Wasser in die Duschwanne laufen ließ.
»Kathryn, heute hast du zwei Minuten.«
Er lächelte, beugte sich vor und drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Sie zog sich das blutverschmierte Nachthemd über den Kopf und ließ es als Stoffhaufen auf den gefliesten Boden fallen. Als sie in die Duschkabine trat, brauchte ihr Körper ein paar Sekunden, bis er sich an die Wassertemperatur gewöhnt hatte, die wie üblich ein wenig zu heiß war. Aber es hatte keinen Zweck, sich darüber zu beschweren. Die frischen Schnitte brannten immer, doch auch dieser Schmerz ließ wieder nach, sodass er fast erträglich war.
Sie schloss die Augen und ließ sich das Wasser über das Gesicht laufen, denn damit wusch sie eine weitere Nacht weg und begann einen
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