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Was habe ich getan?

Was habe ich getan?

Titel: Was habe ich getan? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Prowse
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Empfang nicht zu übertreiben. Sie hatte gelernt, dass dies genauso entmutigend sein konnte wie eine unfreundliche Begrüßung. Tanya fragte sich, was sie an diesem Ort ohne große Gebäude, Autos, Geschäfte, Schmutz und all die anderen Dinge eigentlich sollte, die ihre gewohnte Umgebung vertraut und sicher machten.
    »Du kommst in der allerbesten Jahreszeit. In den letzten Tagen war das Wetter herrlich, und wenn die Sonne herauskommt, dann gibt es keinen besseren Ort als den Strand. Wir machen dort unten kleine Picknicks, sitzen auf dem Sand und unterhalten uns bestens, es ist fantastisch.«
    Kate beobachtete, wie das Mädchen sie unter seinen Haaren hervor anstarrte, ihren Tonfall und ihre Energie auszuloten versuchte und darauf wartete, den Haken zu entdecken. Sie legten die kurze Fahrt schweigend zurück. Kate steuerte das Auto über die kleinen Sträßchen und durch den Urlauberverkehr. Tanya starrte die Heckenlandschaft an.
    Als Kate in die Einfahrt eingebogen war, schaltete sie den Motor ab und ließ die ganze Pracht von Tanyas neuem Zuhause auf sie wirken.
    »Willkommen im Haus zur Aussicht. Du kannst bleiben, solang du willst, Tanya.«
    Das Mädchen nickte.
    »Was denkst du? Der erste Eindruck?«
    »Von Ihnen oder dem Haus?«
    Kate gefiel die intelligente Frage des Mädchens. »Von beidem.«
    »Das Haus sieht aus wie in einem amerikanischen Film.«
    Kate lächelte und nickte. Ja, ja, so sah es wirklich aus.
    »Und bei Ihnen bin ich mir nicht sicher. Sind Sie …? Ich meine, gehören Sie …?«
    »Ja?« Kate mochte es, wenn Fragen gestellt wurden.
    »Steckt da etwas Christliches oder eine religiöse Sekte dahinter? Ich hoffe nur, dass die Leute hier kein Haufen durchgeknallter Jesusanhänger sind, weil ich dann nämlich gleich wieder in den Zug steige.« Sie deutete mit dem Daumen über ihre Schulter nach hinten. »Ich glaube, dann gehe ich lieber in den Knast.«
    Kate lachte plötzlich laut los, bis ihr die Tränen kamen.
    »Ach, Tanya! Kein Wunder, dass du so beunruhigt wirkst. Hast du das gedacht?«
    Tanya schob sich hastig die Haare aus dem Gesicht und versuchte, Kate ein zögerliches Lächeln zuzuwerfen.
    Kate überlegte, ob sie Tanya einen Vortrag darüber halten sollte, dass sie ein kleiner Fisch war, entschloss sich aber, es lieber sein zu lassen.
    »Nein. Nein, meine Liebe, nichts dergleichen. Ich bin selbst vor etwas über vier Jahren aus dem Gefängnis entlassen worden. Ich habe fünf Jahre wegen Totschlags gesessen. Janeece, unsere Beraterin, war eine Mitgefangene, eine wunderbare junge Frau, die dir ihre Geschichte bestimmt erzählen wird, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Natasha ist unsere Kunsttherapeutin.«
    »Kunst?«, fiel ihr Tanya ins Wort.
    »Ja, Kunsttherapie. Dabei wird …«
    »Sie brauchen mir nicht zu erklären, was das ist. Ich weiß, wie sie funktioniert. Ich liebe Bilder und male sehr gern.«
    Kate sah das Mädchen an und bemerkte, wie groß seine Augen geworden waren und dass die Alabasterwangen einen Hauch Farbe bekommen hatten.
    »Tja, dann. Es sieht so aus, als würdest du gut zurechtkommen.«
    Tanya atmete laut aus, und ihnen beiden wurde klar, dass sie fast die ganze Fahrt über kaum geatmet hatte.
    »Komm, wir gehen rein.«
    Tanya stieg die Holztreppe zur Veranda hinauf und drückte sich dabei die Tasche an die Brust, ein Schutzschild gegen die körperlichen und mentalen Schläge, mit denen sie immer rechnete und die sie häufig versetzt bekam. Man war lieber auf alles vorbereitet.
    Im Haus war es still. Alle hatten sich nach dem Mittagessen zurückgezogen. Tom war gewiss auf einer seiner Beschaffungstouren – allerdings konnte Kate nicht begreifen, was er meinte, mit dem Van besorgen zu können, dessen Beifahrersitz in Liegeposition umgeklappt war. Stacey Hill, die einzige andere Bewohnerin, war wahrscheinlich am Strand und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Auch das gehörte zu den täglichen Übungen und sollte sie hoffentlich eines Tages in die Lage versetzen, Ordnung in die wirren Gedanken zu bringen, die sie plagten.
    »Hast du Hunger, Tanya?«
    Das Mädchen zuckte mit den Achseln. Tanya war nicht darüber verunsichert, ob sie Hunger hatte oder nicht – sie war am Verhungern. Sie wusste nur nicht, ob sie das offen sagen durfte oder nicht.
    Kate entzifferte ihre Reaktion.
    »Ich sag dir was, ich bringe dir ein paar Sandwiches auf dein Zimmer, während du auspackst. Wie wäre das?«
    »Danke.«
    Sie hatten einen Deal gemacht.
    Während sie die Treppe

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