Was habe ich getan?
hinaufstiegen, wies Kate auf das Wohnzimmer mit den riesigen Sofas hin, auf das Esszimmer, in dem alle Mahlzeiten eingenommen wurden und auf die Küche mit dem großen Tisch in der Mitte. Er schien ideal, um bei einer Tasse Kaffee Neuigkeiten auszutauschen oder, falls nötig, tränenreich das Herz auszuschütten.
Sie hielten vor einer Tür mit einem Schild an, auf dem das Wort Traum stand.
»Jedes Zimmer hat einen anderen Namen. Wir haben Wunsch und Vertrauen und Freiheit, aber Traum hat die beste Aussicht, und ich will, dass du schöne Träume hast.«
Sie drehte den Türknauf und ließ Tanya zuerst eintreten. Das Mädchen ging direkt auf das Schiebefenster zu und starrte auf den weiten Ozean hinaus.
»Wo hört er auf? Ich meine, was ist auf der anderen Seite des Meers?«
»Das ist eine gute Frage. Erdkunde war noch nie meine Stärke, und ich musste, als ich hier ankam, erst nachschlagen. Aber ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass man, wenn man bis zur anderen Seite schwimmen könnte, in Kanada ankommen würde.«
»Kanada bei Amerika? Wollen Sie mich veräppeln?«
»Nein, es stimmt – wenn du schwimmen würdest, bis du wieder an einen Strand kommst, dann würde dir wahrscheinlich ein berittener kanadischer Polizist ein Handtuch reichen. Stell dir das mal vor.«
»Ich kann nicht schwimmen.«
»Würdest du es gern lernen?«
»Nein.«
Sie schüttelte den Kopf. Ihre Antwort kam laut und nachdrücklich, und sie lehnte die Stirn gegen die kühle Fensterscheibe. Kate konnte ihre Gedanken nicht erraten, das Bild, das vor ihr auftauchte, wie der Freund ihrer Mutter in seiner Wut ihr Gesicht unter Wasser drückt, ein tiefes, kaltes Bad … nicht atmen, nicht atmen …
»Ich gehe, hole dir die Sandwiches und lass dich allein. Diese Tür führt in dein Badezimmer, und der Schrank ist hier – das erklärt sich alles von selbst. Ich lass dich auspacken und bin gleich wieder da.«
Tanya nahm den Kopf nicht von der Scheibe. Stattdessen starrte sie auf das weite dunkle Meer hinaus, das bis zu einem anderen Land, einer anderen Welt, bis nach Kanada reichte … Noch nie hatte sie das Meer gesehen, nur im Kino und auf Fotos. Die Art und Weise, wie das Wasser sich ständig bewegte und wogte, wie dabei weiße Schaumkronen auf den Wellen tanzten, wohin sie auch blickte, war faszinierend. Es sah lebendig aus. Sie hatte nicht mit der Weite des alles verschlingenden und grenzenlosen Meeres gerechnet.
Als die Tür ins Schloss fiel, blickte sie sich zum ersten Mal richtig um. Das Zimmer war schön, mit hellblau gestrichenen Wänden, Holzdielen und einem hübschen Teppich. Es gab einen kleinen viktorianischen Kamin mit zwei Lehnstühlen und einem Tischchen davor. Die Stühle und das Bett waren mit einem grüngeblümten Baumwollstoff bezogen und sahen aus wie aus einem Hochglanzmagazin. Tanya hatte so etwas noch nie gesehen. Es sah wirklich hübsch aus.
Das Badezimmer war ähnlich perfekt, mit großen, flauschigen weißen Handtüchern und einem dicken Frotteebademantel, der hinter der Tür hing. Tanya konnte nicht anders, als es mit dem Badezimmer ihrer Kindheit zu vergleichen. Wenn sie die Augen schloss, hatte sie das Bild als dauerhafte Mahnung vor sich. Das war der Raum, der den Mangel am stärksten symbolisierte, in dem sie gelebt hatte.
Dieses Symbol trug sie für immer mit sich herum.
Das winzige, vollgestellte Bad war vielleicht zwei Mal drei Meter groß gewesen. Darin stand eine Plastikbadewanne mit einem gezackten Riss entlang der Seitenverkleidung und zwei grünlichweißen Streifen, die sich wie die Rückstände eines kleinen Wasserfalls vom Wasserhahn zum verrosteten Abfluss zogen. Das Milchglasfenster war klein und hoch in der Wand angebracht, zu hoch, um problemlos herankommen und es öffnen zu können. Anstelle eines Vorhangs hatte ihre Mum dort das gestreifte Oberteil eines Kinderschlafanzugs mit Heftzwecken befestigt. Tanya wusste nicht, woher das Teil überhaupt kam, ihr hatte es jedenfalls nicht gehört. Es sah aus, als wäre es zum Trocknen aufgehängt worden und hing in der Mitte traurig durch. Das Klo war schmutzig, und der ganze Raum stank nach Urin und Schimmel.
Der rohe Zementboden war seltsamerweise mit gelben und violetten Farbtropfen verschmiert, obwohl Tanya sich nicht an Renovierungsarbeiten irgendeiner Art erinnern konnte. Auch in der restlichen Wohnung gab es keinerlei Anzeichen dafür. Im Nachhinein kam Tanya zu dem Schluss, dass das Ausbleiben dieser Renovierung ein Vorteil war, falls Gelb
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