Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was habe ich getan?

Was habe ich getan?

Titel: Was habe ich getan? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Prowse
Vom Netzwerk:
und Violett die Farben der Wahl gewesen wären.
    In jeder Ecke des Badezimmers, hinter den Rohren und neben der Badewanne, hatten sich Häufchen krauser, kurzer schwarzer Haare gesammelt, mit seltsamem grauem Flaum vermengt, der sich nur in diesem Raum zu bilden schien. An der Wand neben dem Klo führten lange braune Streifen hinab, klebrige Tropfen getrockneten Urins, weil ein Betrunkener daneben gepinkelt hatte. Ein Medizinschrank, der längst seine Tür verloren hatte, hing über dem Waschbecken, vollgestopft mit Dingen, die ihr den Magen umdrehten, Erwachsenendingen, verbotenen Dingen. Tampons, Kondome, Gels und andere Mittelchen, Gegenstände, die ihr, wenn sie sie ansah, das Gefühl vermittelten, verletzlich zu sein. Dann wurde ihr unerklärlicherweise ganz flau im Magen. Die Hähne am Waschbecken waren Relikte aus den 1970er-Jahren und tropften unentwegt, sodass der braune Fleck, der das Becken verschmutzte, immer größer wurde.
    Tanya beschloss, dass sie in ihrem schönen neuen Badezimmer mit den glänzenden Armaturen gern ein Bad nehmen würde. Sie freute sich, den weichen Stoff des Bademantels auf der Haut und den flauschigen Teppich unter ihren Füßen zu spüren.
    Im Gefängnis war alles dünn gewesen: die harten Teppichfliesen, das wässrige Essen, die Seifenstücke, die abgenutzten Bettlaken, die glatten Handtücher und die Anstandskleidung. Alles dünn, zwischen den Fingern kaum zu spüren, durchscheinend und dürftig. Ihr war trotz Kleidung ständig kalt gewesen, und noch lange nach dem Bad hatte sie sich feucht angefühlt, weil die Handtücher ihre Haut einfach nicht trockneten. Die Leintücher waren so fadenscheinig gewesen, dass Tanya die Steppnähte der Matratze an ihrer Gänsehaut spürte, während sie einzuschlafen versuchte.
    Hier war es anders. Die Sachen waren luxuriös und voluminös, flauschig, weich und einladend. Sie hatte nie in einer solchen Umgebung geschlafen, war nie in einem solchen Zimmer gewesen. Ein Anflug von Aufregung vertrieb die Skepsis und Nervosität, die sie befallen hatte, als sie aus dem Zug gestiegen war. Würde sie wirklich hier schlafen? War das wirklich ihr Zimmer, in dem sie wohnen und tun und lassen durfte, was sie wollte?
    Sie wurde vom Klopfen an der Tür aus ihren Gedanken gerissen. Vor Angst schnürte sich ihr die Kehle zu. Sie rührte sich nicht und sagte nichts.
    »Tanya, darf ich reinkommen?«
    »Ja«, gelang es ihr nach kurzer Zeit auszustoßen.
    Kate trat langsam ein, weil sie auf dem Arm ein Tablett mit Sandwiches, einem großen Stück Sandkuchen, einer Teekanne und nur einer Tasse balancierte. Sie wusste, dass Tanya sich erst einmal allein akklimatisieren musste.
    »Da bin ich. Zimmerservice«, scherzte Kate. Als sie aufblickte, war sie bestürzt, weil Tanya dicke Tränen über die Wangen liefen.
    »Ach, bitte weine nicht, Liebes. Hier, darf ich dir ein Taschentuch geben?«
    Kate stellte das Tablett auf das Tischchen vor dem Kamin und ging zum Nachttisch hinüber, auf den man eine Schachtel mit parfümierten Papiertüchern gelegt hatte.
    »Ich bin mir sicher, dass das alles ein bisschen neu für dich ist, aber ich verspreche dir, dass du dich eingewöhnen wirst und dass es dir gefallen wird. Wir sind so froh, dass du da bist, Tanya, wirklich, ich …«
    »Das ist nicht der Grund«, fiel ihr Tanya ins Wort.
    »Ach so?« Kate überlegte, was ihr nur so zusetzen konnte. Vermisste sie jemanden? Fühlte sie sich einsam? Irgendetwas anderes? Sie brauchte nicht weiter nachzudenken.
    »Bei mir hat noch nie jemand an die Tür geklopft und gefragt, ob er hereinkommen kann, noch nie, nirgends. In meinem ganzen Leben nicht. Es war, als ob ich unsichtbar wäre, als ob ich nicht zählen würde.«
    Wieder weinte sie hemmungslos. Kate schlang die Arme um die Schultern des Mädchens. Sie wusste, wie es sich anfühlte, unsichtbar zu sein.
    »Ja, Tanya, das ist die wichtigste Hausregel: Jeden mit Respekt zu behandeln und allen ihre Privatsphäre zu lassen, wenn sie das wollen. Dein Zimmer ist dein Rückzugsort, dein eigener privater Bereich.«
    »Mein eigener privater Bereich.«
    Tanya wiederholte die Wörter laut, weil sie zu begreifen versuchte, was sie bedeuteten, und weil sie glaubte, dass sie wahr werden würden, wenn sie sie laut aussprach.
    Die Tür zum Arbeitszimmer war geschlossen, ein Signal für alle, dass man nicht stören durfte.
    Stacey schob sich ein paar Haarsträhnen hinter die Ohren. Ihr Pferdeschwanz war streng nach hinten gebunden und gab ihre Stirn

Weitere Kostenlose Bücher