Was habe ich getan?
Schrittes zu sein. Sie wollte da sein, um Lydia zu unterstützen, um sie ihrem Ehemann zu übergeben und ihr diesen besonderen Tag in jeder erdenklichen Hinsicht zu verschönern. Sie wollte ihre Schleppe richten, ihr den Lippenstift abtupfen und ihren Blumenstrauß arrangieren.
Kate hatte sich das alles wieder und wieder ausgemalt, seit Lydia im Alter von sieben Jahren eines Tages mit einer alten Gardine auf dem Kopf und einer Topfpflanze in der Hand schwankend den Flur auf und ab geschritten war. Dabei hatte das Mädchen versucht, nicht aus den Schuhen mit den hohen funkelnden Absätzen aus dem Schrank ihrer Mutter zu kippen, und die Melodie des Hochzeitsmarsches vor sich hin gesummt.
Dann dachte Kate an ihre eigene Hochzeit zurück. In den vergangenen Jahren hatte sie diesen Tag in Gedanken häufig durchgespielt und die Geschichte an der Stelle umgeschrieben, an der der Pfarrer gesprochen hatte. In ihrer neuen, veränderten Version rannte sie vom Altar davon, so schnell ihre weißbestrumpften Beine sie tragen konnten. Sie hielt den Brautstrauß in die Höhe, während sie sich den altmodischen Schleier vom Kopf riss und die Treppe hinunter zu einem wartenden Auto lief, an dessen Steuer Pierce Brosnan saß. Na ja, warum nicht? Schließlich war das ihre Fantasiegeschichte.
Ihre Hochzeit war in Wahrheit nicht annähernd so dramatisch verlaufen, obwohl es einen Augenblick gegeben hatte, in dem etwas Ähnliches drohte. Sie und Mark standen nur wenige Zentimeter voneinander entfernt mit Blick zum Pfarrer, der die Arme ausgebreitet hatte. Während die bekannten Worte in der Kirche widerhallten, gab es von ihrer Seite ein ganz kurzes Zögern. Sie kannte die Texte, hatte sie sich unwissentlich in einer tiefen Falte ihres Gehirns eingeprägt, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war, und doch hätte sie in genau diesem Augenblick beinahe versagt, als Freunde und Familie in ihrem Feststaat dastanden und warteten. Die Frage war wirklich simpel gewesen, keine komplizierte Mathematikaufgabe oder etwas ähnlich Schwieriges, das sie in unverständliches nervöses Stammeln hätte ausbrechen lassen dürfen. Nein, sie war klar und knapp gewesen.
»Willst du, Kathryn Gavier, Mark Brooker zu deinem rechtmäßig angetrauten Ehemann nehmen?«
Sie holte Luft, die Worte lagen ihr auf der Zunge, und trotzdem war es, als hätte eine unsichtbare Macht ihre Lippen verzaubert. Sie musste sich anstrengen, um es zu sagen, um die Antwort herauszubekommen, auf die der Pfarrer, Mark und die versammelte Gemeinde Kathryns ganzes Leben lang gewartet hatten. Hätte sie den Zauber nur wirken lassen und nicht so sehr darum gekämpft, die zwei Silben auszusprechen, die den Lauf ihres Lebens verändern sollten.
Stacey brach zu ihrem täglichen Spaziergang zum Strand auf, und Kate schlenderte in die Küche.
»Kaffee?« Natasha stand an der Anrichte und streckte ihrer Freundin die Kaffeekanne entgegen.
»Hm. Ja, bitte.«
»Wie geht es ihr?«
»Sie macht sich Sorgen über die Zukunft und fängt an, an ihre Heimkehr zu denken.«
»Na ja, das sind doch gute Zeichen, nicht wahr?«
»Ja. Wenn sie so weit ist. Ich will nicht, dass sie etwas überstürzt.«
»Du wirst sie vermissen, nicht wahr?«
Kate nickte. Ja, das würde sie, sie würde sie sehr vermissen. Sie lächelte ihre Freundin an und bestätigte damit die unausgesprochenen Worte, welche Gefahren es barg, wenn man sich zu nahe stand.
Kate sah in der Beziehung zwischen Stacey und Nathan eine Verbindung jener Glücklichen, die sich der Liebe eines zuverlässigen Angehörigen oder besten Freundes sicher sein können. Kate wusste, dass sie ihre beste Freundin immer von Herzen lieben würde, egal wie viel Zeit verging. Sie würde den Tag, an dem Natasha unangemeldet im Gefängnis aufgetaucht war, niemals vergessen. Die Erinnerung würde jedoch stets den bitteren Beigeschmack der Enttäuschung mit sich bringen, dass ihr unerwarteter Besucher keines der Kinder gewesen war.
»He! Du Tagträumerin!«
Natashas Ruf riss sie aus ihren Gedanken.
»Ich habe gerade gesagt, dass ich mit Tanya Schwierigkeiten habe. Sie ist ein tolles Mädchen, wirklich offen für meine Vorschläge, und sie scheint recht glücklich zu sein. Aber ich habe irgendwie den Eindruck, dass sie mir etwas vormacht und mir nach dem Mund redet, sich aber nicht wirklich öffnet. Die klassische Verschlossenheit der Missbrauchsopfer.«
»Kann ich irgendwie helfen?«
Wie gewöhnlich suchte Kate nach Möglichkeiten, um den Weg für ihren
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