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Was ich dir noch sagen will

Was ich dir noch sagen will

Titel: Was ich dir noch sagen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
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sie trotzdem ihr ganzes Leben lang bloß getrieben, einen Punkt nach dem anderen abzuhaken. Vielleicht versuchte sie tatsächlich, durch äußere Umstände Halt und vermeintliches Glück zu finden. Nur war ihr dies offensichtlich nie bewusst gewesen.
    So viele Fragen schwirrten ihr im Kopf herum, dass ihr schwindelte. Am liebsten würde sie einfach einschlafen und nie wieder aufwachen. Doch augenblicklich ermahnte sie sich, stark zu sein, und beschleunigte ihren Schritt.
    Schließlich trat Lisa an den Automaten, drückte den Knopf, auf dem das Wort «Milchkaffee» stand, und warf die passenden Münzen in den Schlitz. Ein 50-Cent-Stück rutschte trotz mehrmaliger Versuche immer wieder nach unten durch. Lisa kramte genervt in ihrem Portemonnaie und war zornigen Tränen nahe, als sie vergeblich nach einer Ersatzmünze suchte. Sie schaute sich um, aber weit und breit war niemand auszumachen, den sie um Hilfe bitten konnte.
    Sie fluchte leise und ging dann schnellen Schrittes in Richtung Treppenhaus, um unten am Empfang zu fragen, ob ihr jemand Geld wechseln konnte.
    Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie wieder auf den Flur mit den Automaten trat. Doch ausgerechnet jetzt machte sich daran ein älterer Herr zu schaffen, der Mühe hatte, den Automaten richtig zu bedienen.
    Nachdem Lisa endlich einen Kaffee erstanden hatte, rührte sie noch ein halbes Päckchen Zucker hinein und balancierte den Becher andächtig zum Fahrstuhl.
    Als sie den langen Flur zu Eriks Zimmer entlangging, bemerkte sie, dass sich das schlechte Gewissen inzwischen tatsächlich verflüchtigt hatte. Falls Renate ihr also Vorwürfe machen würde, würde sie ihr, so ruhig wie möglich, erklären, dass Erik immer auf volles Risiko ging – ganz gleich, ob er mit oder ohne Helm fuhr, an einem steilen Abhang spazierte oder, wie noch vor ihrer gemeinsamen Zeit, trotz Höhenkrankheit immer wieder ins Hochgebirge hinauswollte.
    Doch was, wenn er von nun an nicht mehr in der Lage sein würde, für sich selbst zu sorgen?
    Wie viel bittere Ironie in dieser Situation doch lag, dachte Lisa, während sie vergeblich Ausschau nach Renate hielt.
    Gerade erst hatte sie die Lektion gelernt, was es heißt, verantwortungsbewusst miteinander umzugehen, und dass es nicht immer richtig ist, sich in das Leben des anderen zu sehr einzumischen. Und nun würde Erik vielleicht bald so bedürftig sein wie ein kleines Kind – wie ein Kind, für das er die Verantwortung nicht übernehmen wollte und die Lisa nun vielleicht alleine würde tragen müssen.
    Bitte, lieber Gott, bitte lass Erik wieder gesund werden, betete Lisa innerlich.
    Sie sah nun aus einiger Entfernung, wie Prof. Weiländer in Begleitung einer Schwester auf Renate einredete. Eriks Mutter sank plötzlich auf ihrem Stuhl zusammen und zückte ihr Taschentuch, sodass Lisa vor Schreck den heißen Kaffeebecher zu Boden fallen ließ.
    Erst jetzt bemerkten die drei, dass Lisa mittlerweile hinter ihnen stand.
    «Frau Grothe? Ist alles in Ordnung?» Prof. Weiländer trat mit besorgtem Gesicht auf sie zu.
    Lisa nickte zaghaft und lauschte dann den ruhigen, monotonen Worten des Arztes. Die ersten Ergebnisse der Untersuchung hätten gezeigt, wie gut die Chancen für Erik standen, eines Tages wieder ein normales Leben führen zu können. Doch erst nachdem Lisa sich mit einem fragenden Blick bei Renate vergewissert hatte, dass auch sie diese optimistische Diagnose gehört hatte, begann Lisa, den Worten des Professors Glauben zu schenken. Denn Renate lächelte ihr mit glasigen Augen erleichtert zu.
    Prof. Weiländer verabschiedete sich höflich und fügte noch hinzu, dass sie sich wegen des verschütteten Kaffees keine Sorgen zu machen brauchte. Kurz darauf eilte auch schon eine Schwester mit einem Lappen herbei und kümmerte sich um den großen hellbraunen Fleck auf dem hässlichen Fußboden.
    Als sie gegangen war, sprang Renate auf, ging auf Lisa zu und breitete ihre Arme aus. Sie hielten sich fest aneinandergeklammert und weinten – vor Erleichterung, obwohl sie immer noch nicht wussten, wann die Schwellung in Eriks Kopf zurückgehen würde und wann er aus dem Koma geholt werden konnte.
     
    Nachdem Lisa ihren Eltern, Lenny und auch Knuth die gute Neuigkeit am Telefon bzw. per SMS überbracht hatte, verbrachte sie die nächsten Stunden gemeinsam mit Renate an Eriks Bett.
    Die beiden Frauen tauschten sich über ihre Sorgen aus und kamen immer wieder auf Erik und seine spezielle Art zu sprechen, das Leben zu leben. Sie

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