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Was ich dir schon immer sagen wollte

Was ich dir schon immer sagen wollte

Titel: Was ich dir schon immer sagen wollte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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Eugene lachend erwiderte, zum Glück für sein Seelenheil sei diese Ära vorbei) – in allen Belangen des täglichen Lebens war dieser Eugene eine Errungenschaft angesichts von etwas, das er nie erwähnte. Sein Zusammenbruch? Sein überbordendes Wissen? Sein Durchblick?
    »Nun, ich weiß nicht, ob ich mich da so vertan habe«, sagte Mr. Lougheed. »Wie ich es verstanden habe, war das Unterfangen, auf dem Wasser zu gehen.«
    »Stimmt.«
    »Und was ist der Sinn dahinter?«
    »Der Sinn dahinter ist, auf dem Wasser zu gehen. Falls das möglich ist. Meinen Sie, dass es möglich ist?«
    Darauf hatte Mr. Lougheed keine Antwort.
    »Ist es eine Art Scherz?«
    »Kann schon sein«, sagte Eugene, immer noch sehr aufgeräumt. »Ein ernsthafter Scherz.«
    Mr. Lougheeds Blick wanderte zu einem Bord mit einer anderen Sorte von Büchern, die Eugene las und die ihm nicht recht zu der ersten Sorte zu passen schien. Diese Bücher waren von Leuten und über Leute, die Prophezeiungen machten, sie waren über den Astralleib und parapsychische Erfahrungen und übernatürliche Kräfte und jede Art von Humbug oder, wenn man es so nennen wollte, Magie. Mr. Lougheed hatte sich sogar von Eugene einige dieser Bücher – wie andere auch – ausgeliehen, war aber nicht fähig, sie zu lesen. Ungläubigkeit blockierte sein Gehirn. Er hatte ein Wort aus seiner Jugend benutzt, als er Eugene erklärte, dass ihn all das perplex machte. Er konnte nicht glauben, dass Eugene es ernst nahm, obwohl er das Eugene hatte sagen hören.
    Nicht lange nach dem Vorfall im unteren Flur war Mr. Lougheed eines Tages nach Hause gekommen und fand auf seiner Tür ein Zeichen aus frischer Farbe vor. Etwas wie eine unbeholfen gemalte Blume, mit dünnen roten Blütenblättern und dazwischen schwarzen, die am falschen Ende dünner wurden. Ein roter Kreis in der Mitte und darin ein schwarzer Kreis, ein schwarzes Loch. Er berührte die Farbe und stellte fest, sie war noch feucht, aber nicht mehr nass, heutzutage gab es Farben, die im Nu trockneten. Er rief Eugene, damit er sich das ansah.
    »Das ist nichts«, sagte Eugene. »Zumindest nichts Besorgniserregendes. Ich erkenne es nicht. Das haben die sich bloß ausgedacht.«
    Mr. Lougheed kam nicht gleich dahinter, was er meinte.
    »Das ist kein Zeichen«, sagte Eugene.
    »Zeichen«, sagte Mr. Lougheed.
    »Wie ein Zauberbann. Es gibt einen Unterschied zwischen dem hier und einem echten Zeichen, genauso, wie es einen Unterschied zwischen irgendwelchem Abrakadabra und einem echten Zauberspruch gibt, obwohl sich vielleicht für die Uneingeweihten beides wie Abrakadabra anhört.«
    »Ich war nicht in Sorge, es könnte ein … Zeichen sein«, sagte Mr. Lougheed und fasste sich. »Ist es das, was Sie meinen, eine Art magisches Zeichen? Ich bin in Sorge, weil die meine Tür verunstaltet haben. Die haben hier oben nichts zu suchen und schon gar nicht meine Tür anzumalen.«
    »Ich vermute mal, das sollte ein Scherz sein. Oder es war für sie eine Mutprobe. Sie sind sehr kindisch – Rex und Calla sind unglaublich kindisch. Rover sieht nur kindisch aus, der ist ein ziemliches Rätsel. Vielleicht hat er eine alte Seele.«
    Das Alter von Rovers Seele interessierte Mr. Lougheed nicht. Ihn interessierte – und verblüffte – die Möglichkeit, dass so etwas, ein Zeichen an der Tür, für jemanden, der durchaus kein Schwachkopf war, eine geheime Bedeutung haben konnte. »Sind Sie«, fragte er mit einer Stimme voll unbezähmbarer Neugier, »wären Sie von einem Zeichen an Ihrer Tür beunruhigt? Würden Sie glauben, dass so etwas tatsächlich eine Wirkung haben kann?«
    »Unbedingt.«
    »Das kann ich nur schwer glauben«, sagte Mr. Lougheed. Er dachte nach, seufzte und sagte fester: »Das kann ich einfach nicht glauben.«
    »Toter Punkt«, sagte Eugene friedlich.
    Mr. Lougheed dachte, er hätte das schon früher erkennen müssen, hätte sich das Ausmaß einer solchen Denkweise klarmachen müssen, dann wäre er jetzt nicht so bestürzt.
    »Die Welt, die wir akzeptieren – die äußere Wirklichkeit, verstehen Sie«, sagte Eugene freundlich, »ist keineswegs so fest gefügt, wie uns weisgemacht worden ist. Es gibt mehr Methoden, sie uns dienstbar zu machen, als nur die, die man für gültig erklärt und uns beigebracht hat.« Wenn er Mr. Lougheed etwas erläuterte, neigte er dazu, in solch langen, strukturierten Sätzen zu sprechen. Wenn er mit dem Trio unten redete, benutzte er eine Sprache, die reichlich gebrochen,

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