Was im Dunkeln liegt
zusammenzubleiben. Mir war nie der Gedanke gekommen, dass Danny eine Heirat im Sinn hatte. Er hatte das nie erwähnt – nicht einmal als Scherz. Ich erinnere mich noch sehr deutlich an mein Erstaunen, als sie diese Bombe platzen ließ. Aber natürlich – sie glaubt noch immer daran. Danny hatte ihr erzählt, wir würden heiraten. Ich hatte es nicht verneint. Niemand hatte sie jemals von dieser Vorstellung abgebracht.
Schwester Fettsteiß kommt aus Mrs Ivanisovics Zimmer, in den Händen ein Tablett mit einem großen grünen Papierhandtuch darüber, unter dem verschiedene Huckel und Beulen bedenklich klirren. »Sie können jetzt wieder hineingehen«, sagt sie. Sie hat ein selbstzufriedenes Grinsen – das Grinsen eines Menschen, der um seine Macht weiß, der Besuchern wie mir sagen kann, wann sie kommen und gehen dürfen.
Welche unaussprechlichen Prozeduren Mrs Ivanisovic auch hinter sich haben mag, sie sieht davon nicht besser aus. Ihre Lippen haben einen bläulichen Schimmer. Irgendwo in diesem müden alten Körper sind die Überreste der anmutigen jungen Frau, der Farmerstochter, die Dannys Vater geheiratet und ihm einen Sohn geboren hat. Irgendwo da drinnen ist die Frau in dem blau-weißen Sommerkleid.
Ich nehme wieder auf dem Stuhl Platz, und sie deutet auf meine Tasche, da sie anscheinend ahnt, wo ich ihren Zeitungsausschnitt versteckt habe. Ich hole ihn heraus und lege ihn, ohne ihn aufzufalten, auf ihren Nachttisch.
»Die gerichtliche Untersuchung hat alle Fragen geklärt.« Ich hoffe, meine Stimme klingt fest und sicher. »Es gibt eigentlich nichts mehr dazu zu sagen.«
Sie schließt die Augen und schüttelt langsam den Kopf. »Stan und ich konnten es einfach nicht glauben. Danny war so voller Leben – so glücklich. Er hätte niemals Selbstmord begangen – nicht ohne einen Grund. Katy – könnte es vielleicht ein Unfall gewesen sein?«
Ich schlucke, doch der Kloß will nicht verschwinden, deshalb muss ich noch einmal schlucken. »Nein. Ich bin mir sicher, dass es kein Unfall war.«
»Wie können Sie sich da so sicher sein?« Ihre Antwort kommt schneller, als ich erwartet habe.
Ich erwidere ihren Blick, behalte einen ruhigen Ton bei. »Der Beweis. Der Beweis war eine riesige Überdosis. Das kann kein Unfall gewesen sein.«
»Aber warum dann?« Ihre Stimme ist zu einem Flüstern geworden, das unbeantwortet in dem Raum zwischen uns schwebt. Ich kämpfe gegen den Schrei an, der in meiner Kehle aufsteigt. Warum hört sie nicht endlich mit dieser Fragerei auf und sagt mir klipp und klar, was sie weiß?
Nach einer Weile nimmt sie einen weiteren Atemzug aus ihrer Sauerstoffmaske, während ich den Blick abwende und aus dem Fenster schaue. Es ist niemand mehr zu sehen, nicht einmal die gebückte alte Dame.
»Ein Junge hat uns besucht.« Bei ihren Worten drehe ich mich wieder zu ihr um, frage mich, was als Nächstes kommen wird. »Ein Junge aus der Universität. Er sagte, er sei ein Freund von Danny gewesen, aber das glaube ich nicht. Er behauptete Dinge über Danny und Simon – schlimme, böse Dinge. Stan warf ihn hinaus. Er konnte
das nicht – konnte so etwas nicht akzeptieren. Es war gegen seinen Glauben.«
Sie hält inne. Ich überlege, ob sie eine Antwort von mir erwartet oder ob noch mehr kommt. Ihre Augen sind wieder geschlossen. Ihre Lider flattern. Schläft sie? Hat sie eine Art Kollaps erlitten? Soll ich nach der Schwester rufen – den Summer drücken? Ich zögere noch, als sie die Augen wieder öffnet und fortfährt, als habe es keine Unterbrechung gegeben. »Ich weiß, dass Danny normal war. Sie beide wollten doch heiraten. Und Simon – Simon hatte auch Freundinnen – da war dieses Mädchen im Bikini.«
Sie erinnert sich tatsächlich. Erinnert sich an Trudie. Kleine Leuchtgeschosse explodieren irgendwo in meinem Hinterkopf. Wird sie fragen, warum Trudie bei der gerichtlichen Untersuchung niemals erwähnt wurde? Ist dies das Puzzleteil, über dem sie all die Jahre gebrütet hat – warum niemand dieses andere Mädchen erwähnte, das ebenfalls im Haus wohnte – das Mädchen, das da war, als sie uns nur wenige Tage vor dem schrecklichen Ereignis besuchte?
»Ich weiß, dass da noch etwas ist. Katy – bitte erzählen Sie es mir – alles, was geschehen ist. Diese vielen Jahre des Zweifelns – es ist egal, was es ist oder wie schrecklich es ist. Ich bin bereit für die Wahrheit.«
Ich verberge mein Verlangen
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